Führung heißt Augenhöhe! Eine „Halbzeitbilanz“
Im jahr 2018 feiere ich ein kleines „Jubiläum“: seit 20 Jahren darf ich, in unterschiedlichsten Positionen, Menschen führen. Da auch noch annähernd 20 Arbeitsjahre vor mir liegen, und in der Annahme, mir werden bis zuletzt Menschen anvertraut, bin ich in etwa in meiner „Führungs-Halbzeit“ angekommen.
Vorab ein Disclaimer:
Nein, meine folgenden Aussagen zur Führung sind keine wissenschaftlichen Aussagen. Ich bin diplomierter und promovierter Volkswirt – nicht Psychologe. Ausserdem erhebe ich keineswegs den Anspruch, dass mein Führungsverständnis das „Richtige“ ist.
Außerdem möchte ich betonen, dass es mein persönliches Führungsverständnis ist und nicht für andere oder auch für ein bestimmtes Unternehmen steht. Das sollte klar sein, da dies meine private Website ist, aber ich möchte es doch zusätzlich nochmals betonen.
Die Aussagen basieren auf meiner zwanzigjährigen Erfahrung einerseits und dem Studium vieler Bücher zum Thema Management und Führung, auch zur Psychologie, andererseits. Ach ja, und natürlich aus lebenslanger Weiterbildung im Rahmen von Seminaren, wofür ich meinem Arbeitgeber dankbar war und bin. Seit der Ausbildung und nur mit Unterbrechung für Zivildienst und die fünfjährige Uni-Zeit arbeite ich für denselben Arbeitgeber. Er hat mich nie enttäuscht. Das ist ein gutes Gefühl und wurde durch passende Weiterbildung immer weiter verstärkt.
Und selbstverständlich genügt mein Handeln bestimmt nicht immer den Ansprüchen an mich selbst, die sich aus den folgenden Statements ableiten lassen. Aber ich versuche es. Und ich versuche, auch in der zweiten Halbzeit immer etwas besser zu werden.
Ende Disclaimer.
Nun meine für mich zentralen Hypothesen, wissend, dass ich wohl nichts davon neu erfunden habe:
- Die von mir Geführten sind nicht dümmer als ich! Ja, den Begriff „Mitarbeiter/innen“ mag ich nicht. Es sind Kolleg/innen und einige führe ich eben. Wer führt und das gut macht, hat idealerweise auch eine Kernkompetenz in Führung. Aber deswegen bin ich nicht schlauer in Fachthemen. Das scheint mir ein häufiger doppelter Irrtum zu sein: „Weil ich fachlich der Beste bin, führe ich. Und weil ich führe, bin ich auch ewig der fachlich Beste“. Welche Dramen der Praxis sich entfalten, wenn das die Denke der Führungskraft ist. Nein, Menschen mit der Kernkompetenz Führung müssen führen und verlassen sich, einmal führend, selbstverständlich auf die überlegene Fach- und Methodenkompetenz der Geführten. Was denn sonst?
- Wer keine Führungskarriere anstrebt, ist nicht unmotiviert! Die Zeiten, in denen der Grad der Motivation als linear korreliert mit der Ambition auf vertikale Karriere galt, sind vorbei. Viele jüngere Menschen streben Fach- oder Projektkarrieren an und das ist gut so. Gilt die Hypothese, dass Führung eine eigenständige Kernkompetenz ist, können nicht alle dafür geeignet sein. Wer aber erkennt, dass die eigene Ambition, das innere Bestreben, eben nicht Führung ist und in dieser Erkenntnis dann auch konsequent eine andere Art der Karriere anstrebt – Chapeau!
- Wer weder Führungs-, noch Fach-, noch Projektkarriere anstrebt, ist deshalb auch nicht unmotiviert! Jeder Mensch ist Boss des eigenen Lebens. Jeder Mensch hat eigene Prioritäten und verfolgt diese mit entsprechend gestaffeltem Einsatz. Jemand, der/die exakt sein/ihr Pensum in guter Qualität und mit gutem Team- und Sozialverhalten abarbeitet, ist wertvoll. Diese „Indianer“ wollen genau das sein und sie halten das Ganze am Laufen. Ohne sie sind die „Häuptlinge“ hilflos. Wer bin ich, dass ich die Lebenspläne anderer be- und verurteile, ihre Prioritäten aus meiner Sicht bewerte?
- Jeder Mensch ist motiviert; er/sie muss aber zum Unternehmen passen. M.E. gibt es keine nicht-motivierten Menschen. Jeder hat etwas, das ihn antreibt. Wenn es aber keine Kongruenz gibt, keine Aufgabe zu inneren Ambition passt, macht es keinen Sinn für beide Seiten. Und kann auch nicht durch Versuche extrinsischer Motivation gelöst werden. Intrinsisch Motivierte brauchen keine Karotte, bei nicht (für dieses Unternehmen) motivierten hilft sie nicht nachhaltig.
- Gib einen Vertrauensvorschuss und schau, was passiert. Jeder Mensch verdient Vertrauen. Die allermeisten erkennen das an und geben zurück. Mein Menschenbild ist positiv. Wie will ich andernfalls führen?
- Kommuniziere unangenehme Wahrheiten schnell und ehrlich, denn Deine Geführten sind nicht dümmer als Du. Sie können mit harten Wahrheiten umgehen, aber akzeptieren nicht Unehrlichkeit.
- Investitionen in Menschen nähren die Seele..und bringen die besten Renditen für Dich.
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Albert Weil
am 20. January 2018 um 16:21 Uhr
Führen heißt „wohin und wozu“. Oder: Wer Leistung will muß Sinn bieten.
Akzeptanz – und damit internistische Motivation – entsteht nicht durch Druck.
Ohne Kommunikatiom auf Augenhöhe funktioniert das nicht.
Der Text von Ralf Kölbach beinhaltet zwar letztlich nicht Neues- wie er selbst anmerkt.
Aber: Er hat diese Inhalte und vor allem diese Haltung sehr kompakt, prägnant, verständlich in unverbrauchten Worten exzellent zusammengefasst.
Ralf Kölbach brennt selbst und zündet damit andere an – auf jeden Fall mich,
Dr. Ralf Kölbach
am 20. January 2018 um 17:21 Uhr
Vielen Dank für diese schönen Worte! Ja, intrinsische Motivation wird nicht durch vorgehaltene Karotten erzeugt. Intrinsisch motivierte Menschen, die eine innere Ambition haben, betrachten es im Gegenteil als Beleidigung, gibt man Ihnen das Gefühl: „Ich glaube nicht, dass Du aus Dir selbst motiviert bist. Deshalb ködere ich Dich, damit Du leistest.“ Sprenger hat diese Illusionen, beruhend auf einem negativen Menschenbild, ja auf seine prägnante Art vernichtend widerlegt.
Renate Granitzer
am 19. January 2018 um 09:16 Uhr
Wunderbare Gedanken, die in diesem Blogbeitrag und seinen Kommentaren bereits gefallen sind:
„Die Seele nähren“ zum Beispiel, von Herrn Kölbach – prima.
Das stimmt mit Sicherheit, dass die Renditen daraus hoch sind. Aus eigener Erfahrung als Geführte verschiedenster Führungskräfte, kann ich das voll und ganz unterschreiben.
Das geht sogar so weit, dass man bei gleichen Beiträgen unter der Führung der einen Führungskraft dauerhaft in Angst lebt und sich schuldig fühlt und sich stets dreimal überlegt, ob das was man sagt und tut einen Wert hat und ob man es nicht doch lieber zurückbehält. – Oder aber, dass man unter der Führung der anderen Führungskraft sich selbst erstmals als eine „echte Wissenschaftlerin“ erlebt, zum Beispiel.
Nicht notwendig hervorzuheben, wie hoch da die „Rendite“ ausfällt. Man denkt gar nicht daran, irgendetwas zurückzubehalten. Plötzlich sucht man aktiv nach Möglichkeiten dieses Geschenk der Seelennahrung zu erwidern. Man geht in sich und sucht intensiv, was es da alles gibt, was man mit offenen Händen und rückhaltlos und ohne auch nur einen Moment nachzudenken oder nachzurechnen einfach nur zurückgibt. Seelennahrung schafft Beziehung.
Weiters, das „echte Interesse an Menschen“ und entsprechende „Coachen und Unterstützen“ – aus obigem Kommentar von Herrn Burkhart – kann ich ebenfalls unterschreiben. Mit dem Gefühl der restlosen Unterstützung einer Führungskraft, kann man sich unglaublich stark und grundlegend weiterentwickeln – und damit die Rendite erhöhen. Kombiniert mit Herrn Kölbach’s Seelennahrung fließt die Rendite dann garantiert auch in das eigene Unternehmen.
Ich bin überzeugt, wenn man als führende Person nur ein einziges Mal eine solche Rendite aus eigener Führung zu spüren bekommen hat – in Form von rückhaltlosem, offenem Geben aus seinem Team sowie in Form von erzielten, im Vorfeld undenkbaren Errungenschaften seiner Leute – dann wird diese Führungsperson automatisch für immer „brennen“, wie Herr Schulze Heulig in seinem Kommentar oben hervorhebt.
Er oder sie wird einfach nie mehr etwas anderes machen wollen, als Seelen zu nähren und zu coachen.
Dr. Ralf Kölbach
am 20. January 2018 um 13:57 Uhr
Vielen Dank für Ihre offene und lehrreiche Antwort! Ja, Menschen führen tut einfach gut. Menschen wachsen zu sehen, ist das Größte.
Alfred Burkhart
am 18. January 2018 um 17:10 Uhr
Ich stimme den Thesen uneingeschränkt zu. Führung von Menschen kann nicht mit einer „überlegenen Position“ einhergehen. Wer nicht auf Augenhöhe führt, schätzt die Sichtweise, Grundhaltung und Leistung des anderen nicht wert. Dies hat nichts damit zu tun, dass Führungskräfte gemäß Ihrer Funktion Entscheidungen treffen und/oder – bei Bedarf – konsequent Leistungen von Kollegen einfordern sollen/müssen.
Folgt man aber kommenden Führungstrends, wird die Führungsaufgabe zunehmend in eigenverantwortliche Teams hineinverlagert. Führung hat dann mehr eine coachende, unterstützende, motivierende und integrierende Rolle. Dafür braucht es auch auf den oberen Managementebenen ein verändertes Führungsverständnis.
Führung hat viel mit echtem Interesse an Menschen zu tun. Interesse wiederum stammt aus dem Lateinischen und bedeutet inter = zwischen + esse = sein. Leider nimmt mit zunehmender Größe der Unternehmen die Nähe von Führungskräften zu den Menschen scheinbar ab. Doch wer nicht nah an Menschen dran ist, kann nur schwer ehrliches Interesse vermitteln und damit noch schwerer individuell und wirksam führen. Das sich Zurückziehen auf Managementtechniken ist häufig die Folge, vor allem in Krisenzeiten. Dass sich dies kontraproduktiv auf die Motivation und Identifikation von Mitarbeiter auswirkt ist die logische Folge.
Wer rein managementorientiert oder aus der aufgabenorientierten Perspektive heraus führt, wird sich stärker hinterfragen und umdenken müssen. Führung ist eine Haltung, keine Funktion!
Dr. Ralf Kölbach
am 20. January 2018 um 13:59 Uhr
Touchdown! „Führung ist eine Haltung, keine Funktion!“ Das kann man besser nicht sagen. Management ist eine Toolbox, Menschenführung oder neudeutsch Leadership ist eine emotionale Beziehung, die ohne echtes Interesse undenkbar ist.
Michael Schulze Heuling
am 18. January 2018 um 10:18 Uhr
Ihre Aussagen erinnern mich an das Zitat von Antoine de Saint-Exupéry (1900-44), frz. Flieger u. Schriftsteller:
„Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann rufe nicht die Menschen zusammen, um Holz zu sammeln, Aufgaben zu verteilen und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem großen, weiten Meer.“
Leider stelle ich fest, dass es vielen Führungskräften an der eigenen Sehnsucht fehlt.
„Wenn Du selbst nicht brennst, kannst Du Andere nicht entzünden“.
Nach 25 Jahren Beratungstätigkeit in ca. hundert Unternehmen stelle ich fest, dass nur sehr wenige Menschen auf der Leitungsebene Menschen wirklich begeistern können. Ich erlebe einen Trend zur Selbstbegeisterung, d. h. viele Führungskräfte sind eher von sich begeistert ;-(
Dr. Ralf Kölbach
am 19. January 2018 um 21:42 Uhr
Der „Trend zur Selbstbegeisterung“, den Sie beschreiben, erinnert mich an die laufende Diskussion über die zunehmend narzisstische Gesellschaft. Ist das so? Ich bin mir hier nicht sicher, aber Sie kennen natürlich sehr viele Unternehmen. Mein Menschenbild ist grundsätzlich optimistisch und ich bin auch der Meinung, dass die allermeisten Führungskräfte hart an sich arbeiten, um ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Und eben nicht zu sehr selbstbegeistert sind. Hierzu wären weitere Meinungen interessant…