Ralf´s Reader´s Corner: „Dark Leadership – Narzisstische, machiavellistische und psychopathische Führung“ (2017) von Prof. Dr. Marco Furtner
Seit einiger Zeit lese ich mich verstärkt in das Thema „Leadership“ ein. Einerseits, weil wir uns im Unternehmen intensiv damit beschäftigen und ich auch theoretisch verstehen will, an dessen Umsetzung ich beteiligt bin. Andererseits aber auch aus reiner Neugier und aus wissenschaftlichem Interesse: was steckt eigentlich dahinter? Ist der Begriff wirklich klar abgrenzbar von seinem Gegenpart „Management“ und wie geht eine gute Führungskraft in welcher Situation mit den beiden alternativen Modellen um?
Damit bin ich wieder bei einem meiner Lieblingsthemen – ich nenne es „Elastizität des Denkens“ oder auch die „Fähigkeit, beide Seiten der Medaille zu sehen und zu beherrschen.“
Während ich mich also durch die Literatur wühlte und damit automatisch auch durch das Netz, bin ich zufällig auf den Begriff „Dark Leadership“ gestoßen.
Dieser Begriff hat mich als alten Star Wars Fan sofort fasziniert, obschon ich ihn inhaltlich sehr befremdlich fand: Leadership ist doch positiv besetzt, also „hell“ – wie kann es dann eine „dunkle“ Variante geben?
„Kann das seriös sein?“ Das waren meine ersten Gedanken.
In diese Zusammenhang stieß ich auf Herrn Prof. Dr. Marco Furtner, Professor in Innsbruck und Lichtenstein. Diplomiert, promoviert und habilitiert in Psychologie.
„Der Mann wird wissen, wovon er spricht und schreibt“, war mein nächster Gedanke.
Dennoch blieb eine gewisse Skepsis und so startete ich zunächst mit einem Minibüchlein – eben mit dem hier besprochenen.
Soviel vorweg: es liest sich schnell, lehrt viel und hat mich tief beeindruckt und sehr nachdenklich gemacht.
Worum geht es? Nun, letztlich ist das Thema tatsächlich gar nicht so weit weg von Star Wars und der dort in einer dunklen und hellen Seite auftretenden „Macht“ – faszinierend!
Während sich laut Furtner die helle Seite den Helden als Vorbild nimmt, ist es bei der dunklen Seite der „Antiheld“. Diesem geht es nur um Macht und Freiheit zur Befriedigung persönlicher Motive. Organisationen sind lediglich das Spielfeld hierfür; ihr Gedeihen sieht der Antiheld nicht als höheren Zweck an – er nutzt sie nur für sich.
Furtner unterteilt die „dunklen Antihelden“ in drei Subkategorien mit zunehmender Gefährlichkeit für die Geführten und das Unternehmen insgesamt:
- Narzissten
- Machiavellisten
- Psychopathen
Gerade bei dem letzten Begriff musste ich schlucken: „Psychopathen in Unternehmen? Sind das nicht (zumindest potenzielle) Killer?“ Nun, das Buch lehrt, dass nicht jeder Psychopath ein Mörder ist oder werden muss. Jedoch neigt er zu asozialem Verhalten und wird schnell zu einer Plage für sein Unternehmen – er regiert mit Furcht und mangelnder Impulskontrolle.
Schauerlich. Aber das Buch zeigt auf, dass bis zu 4% aller Top-Führungskräfte zu dieser dunkelsten Kategorie der „Antihelden“ gehören.
Als wesentlich häufiger vorkommend beschreibt Furtner den kalt spielenden Machiavellisten und als noch typischer den nach Applaus strebenden Narzissten.
Spannend ist, wie der Autor bei allen drei „Dunkelmännern“ noch eine helle und dunkle Seite herausdestilliert. Diese ist beim Narzissten recht groß und Furtner sieht in der narzisstischen Führung sogar viele Chancen für Geführte und das Unternehmen. Insbesondere hält er hier eine Weiterentwicklung und Fokussierung auf die helle Seite für möglich.
Auch dem Machiavellisten gewinnt der Autor angesichts dessen Selbstkontrolle und langfristigen Zielsetzungen noch recht viel Positives ab.
Beim Psychopathen aber wird es dann eng mit der hellen Seite und sogar die lässt es einem kalt den Rücken herunter laufen. Furtner schreibt (a.a.O., S. 24 f.): „Ob psychopathische Führungskräfte erfolgreich sind, hängt von der Charakteristik der Psychopathie ab: Die primäre Psychopathie (gefühlskalt und manipulativ) kann noch als die helle Seite und die sekundäre Psychopathie (antisoziales Verhalten) als die dunkle Seite der Psychopathie beschrieben werden.“
Da graut es einen schon beim Lesen, aber der Mann schreibt glasklar und sehr überzeugend.
Die Idee des „Dark Leadership“ fußt auf dem schon länger bekannten und diskutierten Konzept der „Dunklen Triade“ aus Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie, deren Verbindungen untereinander und die mögliche Eignung ihrer Kombination als eine Annäherung an die Grundlagen des „Bösen“, dessen Kern, untersucht werden. So habe ich es jedenfalls als Psychologie-Laie beim Lesen verstanden.
In den nur wenigen Seiten dieses faszinierenden Büchleins gibt Prof. Furtner einen für Laien verständlichen Einblick in ein fundamental wichtiges Thema: die „dunkle“ Seite des Leaderships.
Sie zu verstehen, gibt die Chance, sie zu beherrschen.
Denn soviel ist – das macht Furtner unmissverständlich klar – gesicherte Erkenntnis: diese dunkle Seite ist sehr häufig vorhanden und eine wichtige Triebfeder, und zwar keineswegs nur für Schlechtes.
Sie kann sich sogar in ihre helle Seite verwandeln und damit dem Unternehmen helfen.
Und damit sind wir wieder bei Star Wars und Darth Vader, der zwar nicht als Held stirbt, aber doch als geläuterter Antiheld.
Ein grandioses Büchlein – lesen!
Fazit: 5 von 5 Sternen
Teilen Sie diesen Artikel
Dr. Ralf Kölbach
am 27. February 2019 um 21:03 Uhr
Der Beitrag knackt in diesen Tagen die 1.000er Marke! Prof. Furtner adressiert offenbar ein Thema, das Sie bewegt. Seine Analysen sind in der Tat sehr hilfreich dabei, bestimmte Verhaltensweisen auf einer recht tiefen Ebene zu verstehen und einzuordnen.
Dr. Ralf Kölbach
am 22. January 2019 um 20:23 Uhr
Beim Lesen eines weiteren Buches zu diesem Thema (Kai Externbrink/Moritz Keil, „Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie in Organisationen“) stieß ich auf ein dort aufgeführtes wunderbares Zitat, einen sehr tiefgründigen Witz zum Thema:
Raj Chopra (2013):
„A Narcissist, a Psychopath and a Machiavellian walk into a Bar. The bartender asks, who has the darkest personality out of You three? The Narcissist says: „Me“, the Psychopath says: „I don´t care“, and the Mach[iavellian] says: „It´s whoever I want it to be“.
Auf den Punkt.
Dr. Ralf Kölbach
am 16. January 2019 um 21:26 Uhr
Dieses Thema scheint Sie, liebe Leser des Blogs, sehr zu interessieren. Als ich diesen Beitrag schrieb, dachte ich, dass es ein Nischenthema wird, mit nur wenigen hits.
Da hatte ich mich gewaltig getäuscht: der Beitrag ist bisher schon fast 700-mal (!) gelesen worden.
Das zeigt, dass Prof. Furtner ein offensichtlich die Menschen bewegendes Thema adressiert hat.
Das Buch ist Teil eines Vierteilers von ihm rund ums Leadership, die ich der Reihe nach lesen und hier kurz vorstellen werde.
Wer sich aber insbesondere für die dunklen Seiten der Führung interessiert, dem sei schon hier ein kleiner Appetizer auf eine bald erscheinende Buchbesprechung gegeben: Kets de Vries „You Will Meet a Tall, Dark Stranger.“ Ein absoluter Leckerbissen. Geschrieben als Ratgebers eines Psychiaters für Executive-Coaches und die möglichen Pathologien wunderbar erläuternd.
Dr. Ralf Kölbach
am 08. January 2019 um 21:00 Uhr
Die schlimmste Facette der „Dark Triad“, die Psychopathie, hätte ich vor dem Lesen dieses Buches nur bei Mördern oder anderen Schwerstverbrechern vermutet. Aber im Nachgang zur Buchbesprechung landete ich bei einer Statistik, derzufolge psychopathische Grundstrukturen bei 8% (!) der Führungskräfte der obersten Ebene anzutreffen seien. Diese Menschen müssen Angst und Schrecken verbreiten in ihren Unternehmen.
Ihnen genügt es nicht, dass sie oben stehen – andere müssen vor ihnen im Staube liegen.
Wer hätte das gedacht?
Der Abteil der mittleren Stufe, der Machiavellisten, scheint kaum zuverlässig bestimmbar zu sein, dazu fand ich nichts. Das sollte wohl aber nicht verwundern, da diese Gruppe ja eben nicht aggressiv nach vorne geht, sondern im Hintergrund kalt und langfristig agiert.
Achtung: das ist nur meine laienhafte Interpretation, weil ich keine Zahlen fand.
Der Anteil der relativ harmlosesten Gruppe – der Narzissten – hingegen wird in jeder mir bekannten Statistik als zweistellige Prozentzahl beschrieben.
Und hier gibt es ja die gute Botschaft, dass diese Menschen durch gezieltes Füttern ihres „weißen Hundes“ (statt des schwarzen), sogar insgesamt positiv wirken können – als „helle“ bzw. sich läuternde Narzissten.
Ein wirklich bemerkenswertes und augenöffnendes Büchlein.
Dr. Ralf Kölbach
am 24. December 2018 um 18:02 Uhr
Sehr gerne.
Dieses Thema ist eine wichtige Facette der Führung und darf nicht unbeachtet bleiben. Ja, es geht um unsere „Schatten“. Keiner ist frei davon, aber wir haben die Chance, dass sie uns nicht beherrschen.
Und ja, wahrscheinlich fingen viele Dikatatoren mal so an, positiv, als Helfer und mit den besten Absichten. Die geistigen Väter der Gewaltenteilung hingegen hatten offenbar schon viele derartige Wandlungen vom Paulus zum Saulus beobachtet, bevor ihnen klar wurde, dass absolute Macht absolut korrumpiert.
Und dass es eines Systems der Checks and Balances bedarf, da wir alle nur Menschen sind.
M.E. sollte kein/e demokratisch gewählte/r Politiker/in länger als zwei Amtsperioden a maximal vier Jahre regieren; das gehört auch zu diesem Paket.
Friedrich G. Zuther
am 24. December 2018 um 17:50 Uhr
Das klingt nach eindrücklicher Darstellung, Danke für die Empfehlung.
Es ist doch vor allem die Schattenseite in uns selbst, die fröhliche Urstand treibt, wenn wir sie nicht genug beachten. Zwei Geschichten fallen mir dazu ein: Das Selbstverständnis eines Diktators ist ja nicht, ein böser Diktator zu sein. Vom psychologischen Profil ist der Diktator ein sehr hilfsbereiter Mensch. Irgendwann hat die Ablehnung seiner Hilfsangebote nicht mehr akzeptiert und sich über die zu helfenden erhoben und gibt Ihnen nun, was das Beste für sie ist…. diese Geschichte mahnt mich immer.
Die andere ist die vom indianerjungen mit den zwei Wölfen, aber die lässt sich anderswo besser lesen als ich sie erzählen kann.