23. Dezember 2018 Buchbesprechungen, Management

Ralf´s Reader´s Corner: „Dark Leadership – Narzisstische, machiavellistische und psychopathische Führung“ (2017) von Prof. Dr. Marco Furtner

Seit einiger Zeit lese ich mich verstärkt in das Thema „Leadership“ ein. Einerseits, weil wir uns im Unternehmen intensiv damit beschäftigen und ich auch theoretisch verstehen will, an dessen Umsetzung ich beteiligt bin. Andererseits aber auch aus reiner Neugier und aus wissenschaftlichem Interesse: was steckt eigentlich dahinter? Ist der Begriff wirklich klar abgrenzbar von seinem Gegenpart „Management“ und wie geht eine gute Führungskraft in welcher Situation mit den beiden alternativen Modellen um?

Damit bin ich wieder bei einem meiner Lieblingsthemen – ich nenne es „Elastizität des Denkens“ oder auch die „Fähigkeit, beide Seiten der Medaille zu sehen und zu beherrschen.“

Während ich mich also durch die Literatur wühlte und damit automatisch auch durch das Netz, bin ich zufällig auf den Begriff „Dark Leadership“ gestoßen.

Dieser Begriff hat mich als alten Star Wars Fan sofort fasziniert, obschon ich ihn inhaltlich sehr befremdlich fand: Leadership ist doch positiv besetzt, also „hell“ – wie kann es dann eine „dunkle“ Variante geben?

„Kann das seriös sein?“ Das waren meine ersten Gedanken.

In diese Zusammenhang stieß ich auf Herrn Prof. Dr. Marco Furtner, Professor in Innsbruck und Lichtenstein. Diplomiert, promoviert und habilitiert in Psychologie.

„Der Mann wird wissen, wovon er spricht und schreibt“,  war mein nächster Gedanke.

Dennoch blieb eine gewisse Skepsis und so startete ich zunächst mit einem Minibüchlein – eben mit dem hier besprochenen.

Soviel vorweg: es liest sich schnell, lehrt viel und hat mich tief beeindruckt und sehr nachdenklich gemacht.

Worum geht es? Nun, letztlich ist das Thema tatsächlich gar nicht so weit weg von Star Wars und der dort in einer dunklen und hellen Seite auftretenden „Macht“ – faszinierend!

Während sich laut Furtner die helle Seite den Helden als Vorbild nimmt, ist es bei der dunklen Seite der „Antiheld“. Diesem geht es nur um Macht und Freiheit zur Befriedigung persönlicher Motive. Organisationen sind lediglich das Spielfeld hierfür; ihr Gedeihen sieht der Antiheld nicht als höheren Zweck an – er nutzt sie nur für sich.

Furtner unterteilt die „dunklen Antihelden“ in drei Subkategorien mit zunehmender Gefährlichkeit für die Geführten und das Unternehmen insgesamt:

  • Narzissten
  • Machiavellisten
  • Psychopathen

Gerade bei dem letzten Begriff musste ich schlucken: „Psychopathen in Unternehmen? Sind das nicht (zumindest potenzielle) Killer?“ Nun, das Buch lehrt, dass nicht jeder Psychopath ein Mörder ist oder werden muss. Jedoch neigt er zu asozialem Verhalten und wird schnell zu einer Plage für sein Unternehmen – er regiert mit Furcht und mangelnder Impulskontrolle.

Schauerlich. Aber das Buch zeigt auf, dass bis zu 4% aller Top-Führungskräfte zu dieser dunkelsten Kategorie der „Antihelden“ gehören.

Als wesentlich häufiger vorkommend beschreibt Furtner den kalt spielenden Machiavellisten und als noch typischer den nach Applaus strebenden Narzissten.

Spannend ist, wie der Autor bei allen drei „Dunkelmännern“ noch eine helle und dunkle Seite herausdestilliert. Diese ist beim Narzissten recht groß und Furtner sieht in der narzisstischen Führung sogar viele Chancen für Geführte und das Unternehmen. Insbesondere hält er hier eine Weiterentwicklung und Fokussierung auf die helle Seite für möglich.

Auch dem Machiavellisten gewinnt der Autor angesichts dessen Selbstkontrolle und langfristigen Zielsetzungen noch recht viel Positives ab.

Beim Psychopathen aber wird es dann eng mit der hellen Seite und sogar die lässt es einem kalt den Rücken herunter laufen. Furtner schreibt (a.a.O., S. 24 f.): „Ob psychopathische Führungskräfte erfolgreich sind, hängt von der Charakteristik der Psychopathie ab: Die primäre Psychopathie (gefühlskalt und manipulativ) kann noch als die helle Seite und die sekundäre Psychopathie (antisoziales Verhalten) als die dunkle Seite der Psychopathie beschrieben werden.“

Da graut es einen schon beim Lesen, aber der Mann schreibt glasklar und sehr überzeugend.

Die Idee des „Dark Leadership“ fußt auf dem schon länger bekannten und diskutierten Konzept der „Dunklen Triade“ aus Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie, deren Verbindungen untereinander und die mögliche Eignung ihrer Kombination als eine Annäherung an die Grundlagen des „Bösen“, dessen Kern, untersucht werden. So habe ich es jedenfalls als Psychologie-Laie beim Lesen verstanden.

In den nur wenigen Seiten dieses faszinierenden Büchleins gibt Prof. Furtner einen für Laien verständlichen Einblick in ein fundamental wichtiges Thema: die „dunkle“ Seite des Leaderships.

Sie zu verstehen, gibt die Chance, sie zu beherrschen.

Denn soviel ist – das macht Furtner unmissverständlich klar – gesicherte Erkenntnis: diese dunkle Seite ist sehr häufig vorhanden und eine wichtige Triebfeder, und zwar keineswegs nur für Schlechtes.

Sie kann sich sogar in ihre helle Seite verwandeln und damit dem Unternehmen helfen.

Und damit sind wir wieder bei Star Wars und Darth Vader, der zwar nicht als Held stirbt, aber doch als geläuterter Antiheld.

Ein grandioses Büchlein – lesen!

Fazit: 5 von 5 Sternen