Bankgeschäfte ändern sich – werden aber nie vollständig ohne Menschen ablaufen
In der aktuellen Diskussion um die Zukunft des Bankings werden, da die Zukunft nun einmal unsicher ist, verschiedenste Szenarien entwickelt und durchaus leidenschaftlich diskutiert. Die Randpositionen sind einerseits, dass es keine gravierenden Veränderungen für Filialbanken gibt (zunehmend selten vertreten) und andererseits, dass die Filialbanken Auslaufmodelle sind, da keine Filialen mehr von den Kunden gewollt sind.
Diese zweite Position findet sich natürlich schon lange bei den Vertretern der Direktbanken, aber mittlerweile wird sie auch von vielen anderen geäußert.
Aber ist das so? Stirbt die Filiale als Vertriebskanal aus und geht es dadurch mit den typischen Filialbanken, also den VR-Banken und den Sparkassen dem Ende zu?
Ich denke, nein. Wer sich mit den Menschen beschäftigt, ihnen zuhört, glaubt an eine Zukunft der Filiale.
Warum? Zweckoptimismus, Pfeifen im Walde, weil ich selbst mit Freude und Stolz in einer Genossenschaftsbank arbeite?
Nein. Nüchterne Analyse der Fakten:
- Zweifellos nimmt die Zahl der Filialen und der in Filialbanken arbeitenden Menschen schon länger ab und die Entwicklung ist noch nicht am Ende.
- Aber die Verwaltung der eigenen Finanzthemen war, ist und bleibt Vertrauenssache. Und es wird immer Aspekte geben, die die Kunden face-to-face besprechen und lösen wollen.
- Das zeigen übrigens auch diverse Umfragen unter jungen Leuten. Im Gegensatz zu landläufigen Hypothesen, dass die jungen Leute alle Bankgeschäfte ohne face-to-face Beratung durchführen wollen, sieht es tatsächlich so aus, dass für zentrale Themen (erste Baufinanzierung; erste Anlageprodukte) sehr wohl der direkte Kontakt gesucht wird.
- Ursprünglich reine online-shops bauen zunehmend physische Filialen in Ergänzung auf.
Letztlich wird sich also eine neue Balance auch bei den Banken bilden: weniger Filialen, aber nicht deren totales Verschwinden. Allerdings Filialen eines völlig neuen Typus‘, die Heimat mit Hightech verbinden und „gefragte Locations“ ihres jeweiligen Standortes sind.
Ein „Weiter so“, d.h. die lieblose Renovierung alter Filialtypen, führt tatsächlich in den Orkus.
Diese Entwicklung kann man auch bei den Buchhändlern erkennen: natürlich geht es nicht mehr ohne guten onlineshop und natürlich hat sich ein Teil der Bücher auf die E-Reader a la Kindle verlagert. Aber die Evolution ist eine Million Jahre alt und wir lernen – und genießen – umso mehr, je mehr Sinne wir einsetzen. Das ändert sich nicht in ein oder zwei Jahrzehnten.
Und deshalb gibt es auch weiterhin noch Buchläden und der Marktanteil der EBooks ist überschaubar. Aber gute Buchläden haben eben auch einen guten virtuellen Auftritt.
Und hier liegt der Beitrag der VR-Banken und Sparkassen für die Standorte und damit ihre Chance: nicht die klassische, lieblos renovierte, Bankfiliale mit ihren SB-Geräten schafft Heimat und bietet Infrastruktur. Sondern die moderne, ebenso kundenfokussierte wie hochtechnisierte, Filiale als Anziehungspunkt und Ort der Begegnung.
Menschen suchen gute Emotionen, vor allem Vertrauen. Die Bankfiliale hat auch zukünftig etwas zu bieten.
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Siegfried Mehring
am 21. January 2018 um 13:40 Uhr
Ich bin fest davon überzeugt, dass es bei Finanzgeschäften immer auch um Vertrauen geht. Gerade das kann mit einer Präsenz in der Fläche auch gelebt werden. Außerdem erzeugt Präsenz in der Fläche auch Sichtbarkeit und Erkennbarkeit.
Der Weg der Zukunft ist kein entweder oder. Wir brauchen für unterschiedliche Kunden und unterschiedlich komplexe Geschäfte sowohl digitale Lösungen als auch die Möglichkeit des persönlichen Gesprächs. Dabei kann – vor allem nach einem ersten Kontakt von Mensch zu Mensch – der digitale Weg für viele Themen der bevorzugte sein.
Und ganz abgesehen von der Abwicklung des reinen Geschäfts hat eine Genossenschaftsbank vor Ort eine tiefe Verankerung in Wirtschaft und Gesellschaft. Und das ist etwas, was immer mehr Menschen ganz bewusst wollen.
Viel Erfolg mit der Internet-Präsenz!
Herzliche Grüße
Siegfried Mehring
Dr. Ralf Kölbach
am 21. January 2018 um 13:49 Uhr
Vielen Dank, Herr Mehring! Und es ist gut zu wissen, dass unsere Verbünde unsere Primärbanken so gut unterstützen.
Alexander Henk
am 18. January 2018 um 15:06 Uhr
Auch als Digitalisierungs-Enthusiast stimme ich nicht in den Regional-/Filialbank-Endzeit-Kanon ein. Das genossenschaftliche Geschäftsmodell hat m.E. Zukunft, muss sich in seiner Ausprägung aber massiv den aktuellen und künftigen Rahmenbedingungen/Kundenerwartungen anpassen und diese im Banking vielleicht sogar mitgestalten. In dem Zusammenhang bin ich davon überzeugt, dass die Filialthematik aus erweiterten Perspektiven diskutiert werden sollte. Häufig werden Filialen mit den dort anwesenden MA und Kundennähe synonym verwendet; Vertrauen als eine sich ausschließlich im unmittelbaren menschlichen Kontakt ergebende Empfindung unterstellt. Räumliche Nähe findet in den letzten Jahren ihre digitalen Ergänzungen. Große Teile meiner Verwandtschaft wohnen in Holland, denen ich über soziale Netzwerke deutlich näher verbunden bin als vorher; ohne, dass die Häufigkeit der f2f-Kontakte zugenommen hat. Dadurch, dass wir wechselseitig stärker am jeweiligen Alltag teilnehmen, ist die Vertrautheit sogar gestiegen. Vertrauen wird an vielen Stellen digitalisiert. Man denke an Navis, Wikipedia, Dr. IBM Watson oder an blockchain-Anwendungen, die unser Verständnis und die Wahrnehmung von Vertrauen verändern. Wir vertrauen nicht mehr nur Menschen und Institutionen, sondern auch zunehmend Algorithmen. Das wird auch in der Finanzberatung wichtiger Bestandteil werden. Wie sollte ein Kundenberater selbst mit 20 Jahren Beratungserfahrung künftig gegen Algorithmen mit dem Hintergrund von allem verfügbaren Research, hunderttausenden von Anlageverhaltensmustern, Sentimenten etc. bestehen können? Der Algorithmus wird die besseren Ergebnisse liefern. Das (Selbst-)Verständnis der Berater wird sich wandeln müssen. Weg vom dem (im ganzheitlichen Gewand gekleideten) Verkauf von Finanzprodukten hin zu einem echten Problemlöser in finanziellen Fragestellungen (unter Nutzung aller verfügbaren Technologie). Hinzu kommt die Filterfunktion für den overload an Informationen, der für die meisten Kunden ohnehin unverständlich (und sogar auch lästig) ist. Für Firmenkunden wird es m.E. eher in eine consulting-Funktion gehen denn beim Kreditverkauf bleiben. Aber zurück zu den Filialen: Nehmen wir mal eine Bank mit rund 30.000 Kundenverbünden, die alle eine ganzheitliche f2f-Beratung möchten und wertschätzen. Eine umfassende Beratung brauchen diese Kunden vielleicht alle 2 Jahre (so schnell ergeben sich dann meistens doch keine tektonischen Lebensverschiebungen). Alle Banken wären froh, man wäre in diesem eingeschwungenen Zustand mit den Kunden. Das bedeutet 15.000 Beratungen p.a., mithin 60 pro Tag, was wiederum 20-25 Berater erfordern würde. Diese kann ich auf zwei günstig gelegene Standorte verteilen und fertig ist die ganzheitliche Beratung. Die Kunden dürften kein Problem haben, alle 2 Jahre auch mal 10-15 km fahren zu müssen – wenn die Qualität stimmt. Die Servicetätigkeiten werden wie auch das Bargeld auf bis zu Null zurückgehen. Damit bleiben zwei Fragen: Wie gestalte ich Nähe zu meinen Kunden an den anderen 729 Tagen und was mache ich mit den Filialen? Die Nähe, die heute über Nachbarschaft, Vereine oder andere Präsenz/Engagement abgebildet wird, kann über digitale Präsenz im Alltag der Kunden ergänzt werden. Der vitale Kundenkontakt, der wenns gut läuft heute zu vielleicht 20% der Kunden besteht, kann deutlich gesteigert werden, wenn ich als Berater alltagsrelevant werde und meinen Kunden kontextsensitiv und punktgenau nahe bin. Ich denke, viele Kunden wollen gerne immer personalisierte Ansprache und Begleitung, aber nur ab und an auch persönliche Begegnung. Da personalisiert in vielen Banken noch wenig läuft, schätzen die Kunden zur Abbildung ihrer Individualität aktuell noch stark das persönliche Gespräch. Wenn aber das Alltagsbanking personalisiert und simpel funktionieren würde, wäre der gelegentliche persönliche Kontakt ausreichend. Dafür müssen Banken aber lernen, mit ihren Daten so intelligent wie behutsam umzugehen. Daten und Informationen sind für Banken das zentrale Asset – genutzt wird es im Sinne der Kunden aber noch kaum.
Filialen haben dann stärker einen Marketing/PR-Effekt, i.S.v. „wir sind da“ und „man kann uns noch anfassen“. Hier denke ich an multifunktionale Nutzung der Räumlichkeiten für die communities der Region; andere testen bereits Verwendung als co-workingspace o.ä. Bislang münden noch alle (auch omnikanalen) Bestrebungen darin, den Kunden zu mir in die Filiale zu bewegen, die dann schön aussieht, mit Sofas aufwartet und ipads hat. Es bleibt aber bei der Grundhaltung „…ich MUSS noch zur Bank…“ bei den meisten Menschen. Niemand freut sich auf einen Bankbesuch. Es sei denn, die Menschen machen dort Dinge, die sie gerne machen (aber eben ohne unmittelbaren Bankbezug). Damit ist nicht die Symbiose von Cafe/Bäckerei und Bankfiliale gemeint. Ich fürchte, das funktioniert nicht. Eher die Bereitstellung der Räumlichkeiten für Zwecke, die dem jeweiligen Mikromarkt einen wirklichen Nutzen stiftet. Es sei denn, Banken würden beginnen, Kundenbedarf deutlich umfassender zu verstehen und entsprechend zu bedienen. Von „wir finanzieren eine Immobilie“ hin zu „wir begleiten die komplette Kundenreise eines Hausbaus“; von „Performance-Chart-Broschüren-Verteilung“ hin zu „einfachster und hoch flexibler personalisierter Finanzdisposition“; vom „Kreditgewährer, Sicherheitenbewerter und §18-Anforderer“ hin zu „strategischem Sparringspartner zur Entwicklung des Geschäftsmodells meiner Kunden“ usw.
Das ließe sich noch seitenweise erörtern – an dieser Stelle mache ich jetzt mal Schluss. Weiterhin viel Erfolg mit Ihrem Blog. Sturmgeplagte Grüße aus dem Münsterland. Alexander Henk
Dr. Ralf Kölbach
am 20. January 2018 um 17:16 Uhr
Vielen Dank für Ihre fantastische Antwort, Herr Henk! Sie reißen einige grundlegende Veränderungen an. Insbesondere die „Digitalisierung des Vertrauens“ finde ich super spannend? Können Algorithmen Vertrauen erzeugen, Gefühle? Dann steht die Beratungin der Tat vor einem Paradigmenwechsel. Ich bin bei Ihnen, wenn es darum geht, die Räumlichkeiten der Filialen (deren Zahl natürlich noch schrumpfen wird) zu echten Publikumsmagneten im Ort zu machen. Genau dieses Konzept testen wir in unserer bundesweit vom BVr ausgewählten Testfiliale in bad Marienberg. Es bleibt spannend – danke nochmals.
Michael Schulze Heuling
am 18. January 2018 um 10:59 Uhr
Ihre Aussagen zur persönlichen Betreuung vor Ort teile ich grundsätzlich. Allerdings muss sich das Geschäftsmodell der Primärbanken grundsätzlich wandeln von der Angebotsorientierung vergleichbarer Finanzprodukte (Produktverkauf) zur Lösungsorientierung für Bedarfe der Bevölkerung vor Ort (Lösungsorientierung). Hier ist von den Banken noch ein langer Weg zu gehen. Das „Onlinestellen“ von klassischen Bankprodukten und das wenige dann „Multikanalmanagement“ oder gar „Digitalisierung“ zu nennen wird nicht ausreichen, denn es trifft nicht mehr den Bedarf der Menschen. Die Bedürfnisse der Bevölkerung werden durch Bankprodukte nicht mehr erfüllt, abgesehen von komplexen Immobilien- oder Unternehmensfinanzierungen. Leider sind viele der derzeit tätigen Kundenberater kaum in der Lage, umfassende Lösungen anzubieten, die über Finanzgeschäfte hinaus gehen. Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung liegen hier aber Potenziale für ein verändertes Geschäftsmodell in Zusammenarbeit mit Juristen, Ärzten, Pflege- und Betreuungsdiensten, Immobilienspezialisten, Rentenberatern, öffentlichen Trägern, und vielen anderen mehr. Gerade weil die Banken vor Ort Flächen und Ansprechpartner haben, sollten diese Themen zukunftsorientiert bewertet und entwickelt werden. „Was brauchen die Menschen vor Ort wirklich?“ Die Handelskette HAMMER hat sich entwickelt von einem Anbieter von Baumarktprodukten zu einer Plattform für Handwerker und Bauwillige. Und das funktioniert. Ich habe dazu viele Gespräche mit Entscheidern in den Banken geführt, die mich bestätigten aber gleichzeitig anführen, für die genannten Lösungen keine qualifizierten Menschen zu haben. Und genau hier liegt das Problem. Wir müssen jetzt anfangen die Geschäftsmodelle zu verändern, sonst verändert der Markt die Banken. Was wir derzeit erleben ist erst der Anfang. Neben dem sog. „Filialsterben“ gibt es schon ein verdecktes „Bankensterben“. Die Fusionen der letzten Jahre zeigen ein deutliches Bild. Wir wissen auch, dass Fusion die wirtschaftlichen Ergebnisse nicht immer verbessern. Andere Branchen und Unternehmen haben den Wandel längst hinter sich – im Positiven wie im Negativen. Wann baute Noah die Arche? Richtig – vor der Flut!
In diesem Sinne wünsche ich eine erfolgreiche Anpassung oder wie im man mit den gängigen Buzzwords sagen würde „Happy Change.“
Dr. Ralf Kölbach
am 20. January 2018 um 16:21 Uhr
Danke für die klaren Worte, Herr Schulze Heuling. Zweifelsohne müssen die Banken sich grundlegende Gedanken zum Geschäftsmodell machen. In den klassischen Produkten Kreditgeschäft und typische Vermittlungsprodukte sinken die Margen ja nicht nur wegen der Zinspolituk, sondern auch aus strukturellen Gründen; die Märkte sind reif und es gibt eine enorm vielfältige Konkurrenzsituation. Dass sich Unternehmen verschiedener Branchen hin zu Plattformen entwickeln, ist eine Idee auch für Banken. Genossenschaftsbanken sind hierfür prädestiniert, sind doch Genossenschaften schon qua Idee Plattformen. Ich denke aber nicht, dass unsere Mannschaften diesen Wechsel nicht schaffen können. Wenn man Menschen Ziele aufzeigt und sie auf die Reise mitnimmt, wachsen sie.
Angelika Thiedemann
am 17. January 2018 um 10:42 Uhr
Sehr geehrter Herr Dr. Koelbach,
ich gratuliere Ihnen zum Start Ihres Blog’s.
Die Artikel, die ich heute lesen konnte, sprechen mir aus der Seele.
Immerhin war ich 27 Jahre lang im genossenschaftlichen Bereich tätig bei der Wiesbadener Volksbank und bin immer noch überzeugt, dass das Modell zeitlos und zukunftsfähig ist.
Voraussetzungen sind die Besinnung auf die Wurzeln und die Kraft der Kreativität und Innovation.
Die Fragestellung der Zukunft sollte immer lauten, wo sind wir gut und was können wir besser machen!
Veränderungen und neue Wege brauchen Mut…
Herzliche Grüße und viel Erfolg mit Ihrem Blog
Angelika Thiedemann
Dr. Ralf Kölbach
am 19. January 2018 um 21:49 Uhr
Vielen Dank, Frau Thiedemann! Es freut mich, dass Ihnen diese ersten Artikel gefallen. Ziel ist, zur Diskussion anzuregen. Die Wiesbadener Volksbank ist ein wunderbares und super erfolgreiches Haus, in dem Sie sicher eine gute Zeit hatten. Ich bin bei IHnen, wenn Sie die Kausalität zwischen der Überlebensfähigkeit des Geschäfts-Modells der VR-Banken und der Rückbesinnung auf die Wurzeln herstellen. Nur, wer seine Wurzeln kennt, weiß, wo er hingehen muss. Unsere Wurzeln sind unser Fundament; mit ihrer Weiterentwicklung wird daraus der USP.