28. Juli 2019 Banking, Digitalisierung

Robo-Advisory: kommt die große Zukunft noch?

Gerade lese ich die aktuelle Ausgabe August der „Capital“, wie immer mit Genuss.

Neben dem sehr übersichtlichen und informativen Artikel zu Libra finde ich den zum Thema Robo-Advisory ausgesprochen interessant.

Dieser Artikel brachte mir eine interessante Begegnung aus dem Jahre 2015 wieder in Erinnerung: im Rahmen der CIBI-Konferenz in München, vom geschätzten Prof. Penzel/Uni Regensburg organisiert, hielt ich einerseits einen Vortrag und nahm andererseits an einer Podiumsdiskussion mit einem leitendem Mitarbeiter (ich bin mir nicht mehr sicher, ob es einer der Geschäftsführer war) von „Vaamo“ teil.

Kennen Sie noch „Vaamo“?

Nun, damals, also vor gerade einmal vier Jahren, diskutierten er und ich angenehm, aber in der Sache naturgemäß phasenweise durchaus kontrovers über die Zukunft von Regionalbanken.

Seine Aussage war: 

„In fünf Jahren haben wir klassische Banken, gerade Euch Regionalbanken, längst überholt und auf den Weg in die Geschichtsbücher geschickt.“

Meine Aussage war entgegengesetzt:

„In fünf Jahren wird es sowohl uns genossenschaftliche Banken noch geben, als auch die geschätzten Kolleg/innen der Sparkassen. Aber „Vaamo“ wird dann schon Geschichte sein. Unternehmen wie Ihres kommen und gehen, Technologie ist kein USP – unsere Kundenbeziehungen schon.“

Zum Glück ist das erst vier Jahre her und die Zeugen sind noch (fast) alle im aktiven Dienst.

Leider lud ich ihn nicht zu einer Wette ein.

Vaamo wurde im November 2018 von Moneyfarm übernommen und hatte bis dahin nach Aussagen seiner Geschäftsleitung kein Geld verdient. Nachzulesen z.B. hier:

FAZ 20.11.2018 Vaamo

Nun läuft der Versuch, die ökonomischen Ziele mittels größerer Skalierung zu schaffen. Die Skalierung wird also hier auf der Kundenseite gesucht, während Geschäftsbanken in ihren Fusionen das häufig über die Kostenseite versuchen.

Es ist natürlich nicht wichtig, dass ich „Recht hatte“; Einzelpersonen, auch Geschäftsführer, sind nur Treuhänder auf Zeit und können auch jederzeit falsch liegen. Wir sind alle keine Orakel. Was zählt, sind die Unternehmen und ihre Geschäftsmodelle: Gibt es einen nennenswerten Markt, also eine wirklich relevante Nachfrage, für die Online-Geldverwalter? Oder sind sie ein Beispiel, und nicht das erste, dafür, dass nicht Technik entscheidend ist, sondern dass es letztlich die Emotionslage des Kunden ist, die eben fallweise für oder auch gegen eine digitalisierte Dienstleistung entscheidet?

In Abwandlung eines bekannten Zitates aus der Politik kann man sagen: „It´s the customer, stupid!“

Leiden oder zumindest litten die FinTechs in ihren Anfangsphasen ähnlich wie die klassischen Banken lange Zeit unter einer inside-out-Betrachtung ( = „ich weiß, was der Kunde will“) anstatt die tatsächliche Kundenperspektive einzunehmen?

So kann man es interpretieren.

Vaamo wurde 2013 gegründet, Moneyfarm 2011. Der aktuelle Artikel in der Capital zeigt eine Übersicht über die derzeit relevanten Online-Geldverwalter auf und bewertet ihre Performance und Ergonomie aus Kundensicht.

Diese Übersicht, in der sich unser genossenschaftlicher Robo (unseres sehr erfolgreichen Verbundpartners Union Investment) „Visual Vest“ gut schlägt, zeigt etwas Interessantes auf:

Bereits etablierte Robos, so Capital, verbessern sich stetig, während die Newcomer deutlich abfallen. Das könnte, zusammen mit den offenbar erforderlichen Skaleneffekten (siehe den Fall Vaamo-Moneyfarm) zu einer schnellen Marktbereinigung führen, an deren Ende dann nur noch wenige Robos übrig blieben.

Letztlich wird aber sowohl für die Robos wie für menschliche Berater nur eines entscheidend sein: was will der Kunde morgen und übermorgen?

Bisher ist nicht erkennbar, dass es eine wirklich signifikante Nachfrage nach Robo-Advisory gibt. Der größte Robo – Scalable – verwaltet gerade einmal 1,5 Mrd. Euro; bezogen auf den Markt ist das sehr wenig.

Die Praxis der VR-Banken zeigt, dass sie einerseits auch in diesem Thema gut aufgestellt sind, andererseits aber ebenfalls eine noch überschaubare Nachfrage der Kunden nach Robos herrscht. Das ist eine bequeme Situation.

Umfragen, auch bei jungen Menschen, zeigen, dass sie in wesentlichen Finanzthemen eben nicht auf Maschinen setzen, sondern das persönliche Gespräch im diskreten Umfeld einer guten Bank bevorzugen. Und die Geldanlage, sei es zum Liquiditätsaufbau oder zur Altersvorsorge, hat ebenso diesen Charakter der Wesentlichkeit wie die Finanzierung des Wohnhauses. Finanzielle Entscheidungen mit Langfristcharakter sind einfach zu wichtig, um sie jemand oder eine Maschine zu übertragen, dem/der man nicht traut.

Das Thema Robo-Advisory stellt sich somit derzeit ähnlich dar wie die z.B. Videoberatung: Man muss es anbieten, aber eine wirklich große Nachfrage existiert in der Regel nicht.

Können Regionalbanken also im Hinblick auf die potenziell disruptiven Effekte des Robo Advisorys für ihre klassische, von Berater/innen durchgeführte Beratung, aufatmen?

Nun, zunächst einmal sieht es in der Tat so aus. Demgemäß haben die Robos, wie viele FinTechs, ihre Strategie häufig geändert: Kooperation statt Konfrontation – die FinTechs bringen ihre IT und Prozesse ein; die Banken ihre Reputation und Kundenbeziehungen.

Dieser Weg hat sich in den letzten Jahren deutlich abgezeichnet in diesem Thema Online-Geldverwaltung und beide Seiten können damit leben.

Aber wie geht es weiter?

Es gibt nichts Gefährlicheres als Selbstgerechtigkeit und ein Paket aus Ignoranz und Arroganz.

Bill Gates äußerte seine Prognose „Banking is necessary, banks are not“ schon 1994.Die Tatsache, dass sie bisher noch nicht eingetreten ist, verführte in den letzten Jahren manche dazu, sie zu verwerfen, für irrelevant zu erklären.

Das aber scheint eine typische menschliche Schwäche zu sein – unsere tiefsitzende Unfähigkeit, in langen Zeiträumen zu denken.

Wer sagt uns denn, dass wir nicht auf einer Exponentialkurve sitzen, deren rasant aufsteigender Teil nun unmittelbar vor uns liegt?

Das Kundenverhalten entwickelt sich viel schneller als früher in unterschiedlichste Richtungen und kann auch in kurzer Zeit kritische Massen erreichen – Stichwort Netzwerkeffekt.

Und wenn neun digitale Neuerungen aus Sicht klassischer Banken komplementären Charakter haben, so kann die zehnte eine substitutive und damit disruptive sein, die wesentliche Teile des Geschäftsmodells wegspült – Stichwort Libra: das Potenzial dieses stable coins ist derzeit kaum überschaubar. Libra kann absolut disruptiv werden.

Aber beim Robo-Advisory scheint das zumindest derzeit eher nicht der Fall zu sein; das Thema wirkt komplementär, wie eine sinnvolle Beimischung zum Leistungsangebot der Finanzinstitute ohne – nun schon seit Jahren – erkennbar disruptives Potenzial.

Soweit meine Überlegungen, ausgelöst durch den Artikel in der aktuellen Capital.

Was meinen Sie dazu? Liege ich falsch? Erwarten Sie ein schnelles Erreichen eines Wendepunktes im Thema Robo-Advisory, der die Banken dann in diesem so zentralen Geschäftsfeld ins Wanken bringt?

Ich bin gespannt auf Ihre Meinung.