Ralf´s Reader´s Corner: „Dynamische Mitarbeiterführung“ (2017) von Prof. Dr. Marco Furtner
Nachdem ich beim Surfen durch die Literatur zum Thema Leadership vor nun schon einiger Zeit bei Furtners „Dark Leadership“ hängen blieb und es mit großem Gewinn las, stellte ich fest, dass dieses Buch Teil einer Führungstetralogie Furtners ist:
- „Effektivität der transformationalen Führung“
- „Empowering Leadership“
- Dynamische Mitarbeiterführung“ und das schon hier vorgestellte
- „Dark Leadership“
Alle vier sind Büchlein von jeweils nur rund 30 Seiten Text, die es aber durchweg inhaltlich in sich haben und sehr lehrreich sind. Und Lust auf vertiefte Lektüre machen. Die gesamte Tetralogie wird hier besprochen.
Nachdem ich nun also das Pferd von hinten aufgezäumt und mit dem faszinierenden Schlussbaustein begonnen hatte, war als nächster Teil der erste an der Reihe. Vor wenigen Tagen beendete ich die Lektüre des zweiten Teils und nun verblieb also noch der dritte Teil.
Here we are.
Furtner beginnt auch diesen Teil mit einer Definition des Buchthemas – was bedeutet „Dynamische Mitarbeiterführung“ eigentlich?
„Dynamische Mitarbeiterführung beschreibt das Gegenteil von einer rigiden Führung, welche in allen Situationen dasselbe starre Führungsverhalten zeigt.“ (a.a.O., Vorwort)
Das klärt einiges, wirft aber auch eine Frage auf, die mir während der Lektüre des Büchleins nie ganz beantwortet erschien: Wo genau liegt der Unterschied zwischen Furtners dynamischer Mitarbeiterführung einerseits und dem schon länger bekannten Konzept der „Situativen Mitarbeiterführung“ andererseits?
Vielleicht darin, dass Furtners Begriff umfassender ist. So ist für ihn die „Mindfulness“ einer Führungskraft Grundvoraussetzung, um überhaupt dynamisch führen zu können. Diese definiert er wie folgt: „Mindfulness ist die absichtsvolle (zielorientierte) und nicht-bewertende Beobachtung aller Erfahrungen im gegenwärtigen Moment.“ (a.a.O., S. 3) Derartige Voraussetzungen gibt es bei den älteren situativen Führungstheorien nicht.
Ein hoher Anspruch an eine Führungskraft! Eine derart umfassende Fokussierung will erst einmal bewältigt werden im operativen Stress des Alltags. Aber letztlich kann man das zumindest als Idealanforderung unterschreiben, denn wie will eine Führungskraft laufend ihren Stil passgenau variieren, wenn dem nicht eine stets hellwache Beobachtung vorausgeht?
Im nächsten Schritt beschreibt Furtner, wonach sich der Ansatz der dynamischen Mitarbeiterführung orientiert: “ …fokussiert sich […] auf die Motivation, die Fähigkeiten und Kompetenzen der Geführten. Er berücksichtigt zudem aufgaben- und umweltbezogene Einflüsse.“ (a.a.O., S. 8)
Das ist deutlich mehr als bei den älteren situativen Führungstheorien, die eine einfache lineare, starre, Beziehung zwischen dem Reifegrad der Geführten einerseits und dem Führungsverhalten andererseits unterstellen: für einen geringen Reifegrad wird aufgabenbezogenes Führen empfohlen; für einen hohen hingen beziehungsbezogenes Führungsverhalten. (vgl Furtner, a.a.O., S. 8)
Damit muss eine Führungskraft in Furtners Welt sowohl selbst höheren Anforderungen genügen (Mindfulness), als auch viele Parameter zur Auswahl des optimalen Führungsverhaltens berücksichtigen.
Im Folgenden, dem Hauptteil des Buches, erläutert und bewertet Furtner die verschiedenen Führungsstile in strukturierter Form. Hier gibt es natürlich diverse Redundanzen zu den anderen Bänden der Tetralogie, aber das hat auch den Vorteil, dass die Bände alleinstehend verwendet werden können. Es gibt aber auch immer wieder Redundanzen innerhalb dieses Bandes selbst und die erscheinen unnötig.
Nicht zu übersehen ist Furtners Affinität zu zwei Führungsstilen: dem transformationalen und dem ermächtigenden („Empowering Leadership“).
Während der erste zur Gruppe der „heroischen“ Führungsstile gehört und insbesondere auch charismatische Fähigkeiten der Führungskraft voraussetzt, ist ermächtigendes Leadership ein Beispiel „post-heroischer“ Führung: es geht nicht um den Fackelträger, dem alle folgen, sondern die Führungskraft bildet gewissermaßen ein Netzwerk von Leadern aus und teilt sich die Führung mit diesen, sobald deren Ausbildung abgeschlossen ist. Hier ist das Zielbild also das des Shared Leadership.
Zum „Empowering Leadership“ hat sich Furtner im Band 2 ausführlich geäußert, vgl. auch meine diesbezügliche Rezension.
Transformationaler und ermächtigender Führungsstil ergänzen sich in Furtners Sichtweise sehr gut: der erste ist insbesondere für Krisensituationen mit dringlichen Aufgaben geeignet, der zweite für Situationen ohne operative Dringlichkeit.
Im Schlussteil gruppiert Furtner die Führungsstile dann anhand einer weiteren Dimension; er unterscheidet folgende drei Kategorien:
- Aufgabenbezogen/autoritär (Gruppe 1),
- Aufgabenbezogen/transaktional (Gruppe 2)und
- Mitarbeiterbezogen/demokratisch (Gruppe 3).
Es ist offensichtlich, dass aus Furtners Sicht eine qualitative Evolution von Gruppe 1 über Gruppe 2 zu Gruppe 3 existiert. Und noch weniger verwunderlich ist nach Lektüre des Büchleins, dass seine beiden bevorzugten Führungsstile (transformational und ermächtigend) die Gruppe 3 bilden.
Zu sagen, dass ein Schelm ist, wer Böses dabei denkt, greift aber zu kurz, denn Furtners Herleitungen wirken durchaus überzeugend und in sich konsistent. Seine Sicht auf Führung, das zeigt auch dieser Band, wirkt in sich geschlossen und ist angenehm gut strukturiert, bedenkt man die sprachliche und inhaltliche Schwammigkeit des Themas „Führung“ im Allgemeinen und des „Leadership“ im Besonderen.
Furtners Begeisterung für den transformationalen Führungsstil teile ich unverändert nur eingeschränkt, vgl. hierzu auch meine Rezension seines ersten Bandes der Führungs-Tetralogie. Der Begriff des „Charismas“, der hier wesentlicher Bestandteil ist, gefällt mir nicht besonders; vielleicht bin hier einfach zu stark von Maliks nüchterner Sichtweise und seinen warnenden Worte hinsichtlich der „Charismatiker“ geprägt.
Der ermächtigende Führungsstil hingegen erscheint in der Tat zeitgemäß und überlegen – verlangt allerdings sehr viel von der Führungskraft.
Insgesamt hat mir auch dieses Büchlein gut dabei geholfen, einen Überblick über das Thema Führung zu erhalten, der an vielen Stellen Lust auf vertiefte Lektüre macht.
Fazit: 4/5 Sterne für diesen Teil 3.
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Marcus Disselkamp
am 15. July 2019 um 22:36 Uhr
Spannend ist zudem die Frage, wieviel „mindfulness“ Führungskräfte Unternehmen wirklich zur Verfügung stehen bzw. wieviele überhaupt noch benötigen werden. Denn in Zeiten von Agilität mit Autonomie der Experten und Teams bis hin zur Holokratie braucht es viel weniger „Führungspersonal“, aber dafür jene „Führungsexperten“ mit den o.g. Kompetenzen.