06. Juli 2019 Buchbesprechungen, Management

Ralf´s Reader´s Corner: „Empowering Leadership“ (2017) von Prof. Dr. Marco Furtner

Nachdem ich beim Surfen durch die Literatur zum Thema Leadership vor nun schon einiger Zeit bei Furtners „Dark Leadership“ hängen blieb und es mit großem Gewinn las, stellte ich fest, dass dieses Buch Teil einer Führungstetralogie Furtners ist:

  1. „Effektivität der transformationalen Führung“
  2. „Empowering Leadership“
  3. Dynamische Mitarbeiterführung“ und das schon hier vorgestellte
  4. „Dark Leadership“

Alle vier sind Büchlein von jeweils nur rund 30 Seiten Text, die es aber durchweg inhaltlich in sich haben und sehr lehrreich sind. Und Lust auf vertiefte Lektüre machen. Die gesamte Tetralogie wird hier besprochen.

Nachdem ich nun also das Pferd von hinten aufgezäumt und mit dem faszinierenden Schlussbaustein begonnen hatte, war als nächster Teil der erste an der Reihe. Und somit verblieben die Teile 2 und 3. Ein bisschen Struktur muss sein, verlangt der Manager in mir.

Nun also auf zum zweiten Teil der Tetralogie – „Empowering Leadership – mit selbstverantwortlichen Mitarbeitern zu Innovation und Spitzenleistung“.

Als ich mir das Cover von Teil 2 betrachtete, war ich skeptisch, ob sich das Lesen lohnen könne. Warum? Nun, während schon die Literatur zum „Management“ ebenso breit wie teilweise unübersichtlich ist, stellt sich das beim Thema Leadership noch viel verwirrender dar. Schon die Abgrenzung zwischen dem alten Begriff „Management“ zu dem aus dem angelsächsischen Raum übernommenen des „Leadership“ ist alles Andere als einfach. Aber die Subkategorien des Leadership, so wie Furtner sie hier vorstellt, sind eine Welt für sich.

Während die Unterteilung zwischen „hellem“ und „dunklem“ Leadership (Band 4 der Tetralogie) noch intuitiv gut verständlich ist, tut man sich beim Lesen dieses zweiten Bandes, der sich mit einer anderen Dimension der Segmentierung des Leadership-Begriffes befasst, doch zumindest anfangs schwer. Mir jedenfalls ging es so. Das mag aber daran liegen, dass ich als stark mathematisch-statistisch ausgebildeter Volkswirt instinktiv nach Klarheit und Strukturen suche, die man im Dickicht solcher unscharfen Begriffe wie „Leadership“ zunächst einmal finden muss.

Diese Arbeit aber lohnte sich und am Ende hatte ich eine ganz neue Erkenntnis zu einem Punkt, den ich bisher immer anders gesehen hatte. Aber der Reihe nach…

Wie immer muss am anfang eine brauchbare Definition stehen und die liefert Furtner auf der ersten Seite: „Ein ermächtigendes Führungsverhalten zielt auf die Selbstentwicklung der Geführten und Teammitglieder.“

Diese Definition gefällt mir schon aus einer genossenschaftlichen Sicht, denn das ist nichts Anderes als eine Anwendung des urgenossenschaftlichen Gedankens der „Hilfe zur Selbsthilfe.“ Sehr schön! Mitarbeiter erhalten Autonomie, um sich in diesem ihnen gewährtem Raum aktiv selbst weiter zu entwickeln.

Und es geht noch weiter, auch schon auf der ersten Seite: „Eine ermächtigende Führungskraft teilt sich die Macht, das Wissen und die Kontrolle mit ihren Geführten.“ Und daraus, wenn es denn funktioniert, kann sich laut Furtner das „Shared Leadership“ entwickeln, also die dann organisatorisch verankerte Variante dessen, was Empowering Leadership beginnt und ermöglicht.

Eine sehr gute Seite 1 und erste Seite der Einleitung! Und schon auf der zweiten und letzten Seite der Einleitung kommt die dritte Variante auf den Tisch – das „Self-Leadership“: „Self-Leadership stellt den Kern von Empowering und Shared Leadership dar. Eine Führungskraft muss sich zunächst selbst führen, bevor sie andere Menschen effektiv beeinflussen kann.“

Zwischen Self- und Empowering Leadership besteht nun laut Furtner eine interessante Wechselbeziehung: einerseits ist ein funktionierendes Self-Leadership Grundvoraussetzung einer Führungskraft, um Empowering Leadership ausüben zu können. Andererseits erhöht gelebtes Empowering Leadership die Self-Leadership Fähigkeiten der Geführten. Und befähigt damit natürlich, auch wenn Furtner es nicht explizit ausführt, weitere Menschen dazu, irgendwann selbst als ermächtigende Führungskräfte aktiv sein zu können.

Auf Seite 6 beschreibt Furtner ermächtigendes Leadership noch etwas präziser: „Im Rahmen von Empowering Leadership gewährt eine Führungskraft exakt die benötigte Autonomie, damit Personen selbstbestimmt handeln und ihre intrinsische Motivation steigern können.“

Und das ist bemerkenswert und für mich neu: bisher war für mich gesetzt, dass Führungskräfte an der extrinsischen Motivation positiv arbeiten können, aber an der intrinsischen Motivation der Geführten nur negativ – mittels schlechter Führung.

Ansonsten sei intrinsische Motivation (fast) ausschließlich Sache der Geführten und vorhanden oder nicht vorhanden. Bestenfalls könne man sie nicht verringern mittels intelligenter Rahmenbedingungen. Anders und aus Sicht des Geführten zur Führungskraft sagend : „Du kannst mich nicht (intrinsisch) motivieren; nur ich selbst kann das! Du kannst mich nur (intrinsisch) demotivieren.“

Furtner sagt hingegen, dass ermächtigende Führung mehr leistet, als intrinsische Motivation nur zu stabilisieren – sie wirke direkt auf die Selbstbestimmung und damit indirekt auf die zu dieser in positiver Kausalität verbundene intrinsische Motivation.

Stoff zum Nachdenken. Auch für das eigene Führungsverhalten.

Furtner legt dar, dass das Shared Leadership, als organisationale Konsequenz des Empowering Leadership, als Struktur gewordenes ermächtigendes Führen, auch der Führungskraft viel zurückgibt: sie kann ihre egoistischen Machtinteressen überwinden zugunsten höherwertiger Gruppenziele. Mithin führt also das Shared Leadership als oberste Stufe der dreiteiligen Pyramide (mit dem Self Leadership als Sockel und dem Empowering Leadership als Mittelteil) zur Weiterentwicklung der Führungskraft: indem sie Macht und Informationsvorsprung abgibt, überwindet sie ihr Ego und der Lohn ist „…höchste Wertschätzung und Dankbarkeit von den Geführten und ihrer sozialen Umwelt“ (Furtner, a.a.O., S. 22.) Und hier findet sich auch die Verbindung zum „Dark Leadership“: Sogar Narzissten können sich mit Empowering Leadership zwar nicht heilen, aber dennoch positiv und zum Wohle des Ganzen agieren – und somit weiterhin glänzen. Eine win-win-Situation.

Auf Seite 30, also gegen Ende dieses sehr instruktiven Büchleins, beschreibt Furtner ergänzend, dass Empowering Leadership auch der natürliche Führungsstil für ein Umfeld dezentraler Organisationsstrukturen ist – im Unterschied zu den diversen heroischen Führungsstilen, die Zentralismus bevorzugen.

Viel lehrreiches Material in nur knapp über 30 Seiten – hervorragend!

Fazit: 5/5 Sternen – Pflicht für alle, die am Thema Leadership interessiert sind.