07. April 2019 Buchbesprechungen, Management

Ralf´s Reader´s Corner: „Winning – das ist Management“ (2005) von Jack Welch und Suzy Welch

Es überrascht mich selbst, dass ich dieses für mich fundamentale Buch zum Management erst jetzt hier vorstelle. Kaum ein anderes Management-Buch hat mich so zum Nachdenken angeregt wie dieses berühmte Werk von Jack „Neutron-Jack“ Welch und seiner Frau Suzy.

Warum? Weil es polarisiert, zu spontenem Appplaus verführt, dann wieder zum Widerspruch reizt – aber niemals langweilig wird.

Dieses Buch ist in vielen Aspekten ein Antipode zu Maliks „Führen, leisten, leben.“ Dort der super-strukturierte Professor, für den Management eine Wissenschaft ist, keine Kunde und der seine Interpretation des Managements für die wissenschaftlich richtige erklärt.

Hier der extrem erfahrene, extrem erfolgreiche Top-Manager, der schlicht und ergreifend seine Erfahrung aufschreibt und daraus Regeln und Empfehlungen ableitet und weitergibt.

Malik und Welch zu vergleichen – gar relativ zueinander zu bewerten –  ein sinnloses Unterfangen! Beide muss man gelesen und verstanden haben, um daraus eine persönliche Synthese zur eigenen Weiterentwicklung erzeugen zu können.

Nun, Maliks Standardwerk habe ich hier schon vorgestellt. Dieses Mal also Welch. Ich beziehe mich hierbei im Folgenden immer auf Jack Welch, denn letztlich geht es um seine Berufserfahrung, nicht die seiner Ko-Autorin und zweiten Ehefrau Suzy Welch.

Schon die Einleitung hat mich damals beim ersten Lesen beflügelt und tut es immer noch. Folgendes Zitat (Achtung: alle Seitenzahlen sind aus meiner Auflage aus 2005) bewegte und bewegt mich immer noch ganz besonders:

„Legen Sie eine positive Einstellung an den Tag und hüten Sie sich davor, die Opferrolle zu übernehmen. Und haben Sie um Himmels willen Spaß.“ (a.a.O, S. 18.)

Boom!

Einfache, klare Sprache. Das würde Malik nie so schreiben, aber auch er verlangt von Managern diese klare, optimistische Grundhaltung. Ja, Arbeit darf nicht nur, sie soll Spaß machen! Eine klare Botschaft an all die, die primär in Problemen und nicht in Lösungen denken. Aber auch an jene Misanthropen, deren dunkles Menschenbild sie mit stets dunklen Wolken über ihren Augen durch die Unternehmen treibt und die eigene Dunkelheit wie Mehltau über weitere Teile des Unternehmens verbreitet.

Man muss im Management nicht leiden. Weder, weil man sich selbst den Erfolg, dort zu sein, nicht gönnt und die Neurose entwickelt, sich für den eigenen Erfolg bestrafen zu müssen.  Noch, weil die Herausforderungen nun einmal groß sind. Ups and downs gehören dazu, aber nichts zwingt Menschen der obersten oder mittleren Führungsebenen dazu, griesgrämig durchs Unternehmen zu laufen, bis alle damit infiziert sind. Schließlich hat man es sich selbst ausgesucht, im Management zu arbeiten.

Optimismus ist Pflicht im Management!

Welch verbindet das damit, dass er das Business als Spiel beschreibt, das es zu gewinnen gilt.  Und es ist diese Sichtweise auf das Business, die den Spaßfaktor treibt.

Business as a game – that´s it!

Dann kann es natürlich auch nicht überraschen, wie positiv Welch den Erfolg, den Sieg betrachtet: „In meinen Augen ist Erfolg etwas Phantastisches. Nicht gut, sondern phantastisch. Wirtschaftlicher Erfolg ist großartig, weil Menschen sich entfalten können, wenn Unternehmen florieren. Es entstehen Arbeitsplätze und es gibt mehr Chancen für alle.“ (a.a.O., S. 14.)

Dieses Zitat atmet den amerikanischen Geist des Aufstiegs – den „amerikanischen Traum“ –  für alle durch Leistung und Erfolg. Für Welch ist der Erfolg des Unternehmens untrennbar auch die Grundlage des Wohlergehens aller Beschäftigten und damit letztlich der Gesellschaft.

Daran kann man aus der Sicht der aktuellen Situation in den USA, aber nicht nur dort, sicher viel kritisieren: wieviel von den Unternehmensgewinnen floss in den letzten Jahrzehnten noch in die Breite, welche Chancen haben die einfachen Arbeiter und Angestellten denn wirklich noch, ihren Traum vom Aufstieg zu realisieren? Die Entwicklung der Vermögen und der Realeinkommen in den USA, aber auch in anderen westlichen Ländern ist sich stetig weiter anhäufender Sprengstoff für die westliche Welt. Fühlen sich weite Teile der Gesellschaft vom Wohlstand ausgeschlossen und um ihre Chancen betrogen, bricht der gesellschaftliche Konsens und damit die Akzeptanz für große Vermögens- und Einkommensunterschiede zusammen.

Und dann?

Welch glaubt somit an einen positiven Kapitalismus, an eine Marktwirtschaft, die allen zugute kommt. Dieser unerschütterliche Optimismus prägt das ganze Buch und macht es sehr angenehm zu lesen.

Bekannt und teilweise sicher auch geradezu berüchtigt ist Welch jedoch für seine plakative Unterteilung der Beschäftigten in die drei „Leistungskategorien“, die er „A-Player“, „B-Player“ und „C-Player“ nennt. Diese Differenzierung auch auf Ebene der Belegschaft ist für Welch im Zeitalter der Globalisierung und Digitalisierung unumgänglich und es gilt aus seiner Sicht: „Manager auf allen Unternehmensebenen müssen harte Entscheidungen treffen und diese konsequent umsetzen.“ (a.a.O., S. 52.)

„Differenzierung“ in diesem Kontext heißt für ihn, die A-Player (20%) zu verwöhnen, die B-Player (70%) zu beobachten und sich von C-Playern (10%) zu trennen. Für Kategorisierungen wie diese in Verbindung insbesondere mit der Forderung, sich von den von ihm so genanten C-Playern zu trennen, erwarb Welch sich den Beinamen „Neutron-Jack“ und viel Gegnerschaft. Letztlich geht es immer um Menschen und es ist m.E. zweifelhaft, dass man sie derart einfach kategorisieren kann und es nicht doch Stellen im Haus gibt, auf denen „C-Player“ aufblühen können.

Eines aber ist klar: er kommt auf den Punkt, hat eine klare Linie und mit Sicherheit wussten unter seiner Führung die Menschen, woran sie waren. Es war, glaube ich Malik, der einmal hervorhob, dass es für einen guten Manager viel wichtiger ist, berechenbar als beliebt zu sein.

Welch fasst das so zusammen: „Wenn Sie wissen, wo Sie stehen, können Sie Ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Gibt es etwas Gerechteres?“ (a.a.O., S. 56.)

Diesen sozialen Aspekt der ehrlichen Härte führt er noch weiter aus: „Es geht jedoch immer, ohne Ausnahme, ins Auge, wenn man leistungsschwache Mitarbeiter schützt. Aber das Schlimmste daran ist, dass es den Mitarbeitern selbst schadet, wenn sie ungerechtfertigterweise geschützt werden.“ (a.a.O., S. 57.)

Seine Begründung: „Eine auf Ungerechtigkeit basierende Unternehmenskultur steht dem Erfolg jedoch grundsätzlich im Wege, weil sie Vertrauen und Offenheit untergräbt.“ (a.a.O., S. 57.)

Zur Einstellung neuer Beschäftigter sowie der Förderung von Beschäftigten hat Welch eine klare Vorgabe („Regel 2“) zu bieten: „Engagieren und fördern Sie nur Leute, die fest an die Sache glauben oder sie zumindest durchziehen.“ (a.a.O., S. 153.)

Zum zentralen Thema der Veränderung hat sich mir am Meisten seine Regel 2 eingeprägt: „Identifizieren und eliminieren Sie Widerständler, selbst wenn ihre Leistungen zufriedenstellend sind.“ (a.a.O., S. 156.)

Warum? [Widerständler] „…heizen unweigerlich unterschwelligen Widerstand an und untergraben die Moral der Leute, die den Wandel befürworten.“ (a.a.O., S. 156f.)

Eine harte Aussage? Natürlich. Eine von denen, die zu „Neutron-Jack“ führten, da er ja diese Vorgehensweise nicht nur kommunizierte, sondern auch umsetzte.

Harter Tobak insbesondere für Familienunternehmen oder Unternehmen mit Familienkultur? Definitiv.

Aber in Zeiten, in denen die digitale Transformation ganze Branchen disruptiert, braucht es diese Klarheit. Brunnenvergiftung kann nicht mehr toleriert werden, da sie das Unternehmen lähmt. Und dann leiden alle.  Teile ich seine Absolutheit hinsichtlich der Abqualifizierung von Menschen in C-Player auch nicht, so doch sehr wohl seine klaren Forderungen zum Umgang mit destruktiven Verhaltensweisen.

Einer der lehrreichsten Sätze dieses herausragenden Buches ist für mich jedoch die Zusammenfassung des Wortes „Strategie“ in einem Satz: „Strategie bedeutet, klare Entscheidungen dazu zu treffen, wodurch man sich im Wettbewerb behaupten will.“ (a.a.O., S. 183.)

„Was sonst“, fragt man sich. Aber wer vor und nach Welch brachte das so auf den Punkt? Besonders in hochregulierten Branchen  ist diese simple Definition völlig aus den Augen verloren gegangen. Für alles gibt es Teilstrategien, deren Umfang und Tiefe teilweise das Gefühl vermittelnt, man könne Geld tatsächlich ohne Vertrieb verdienen. Was für eine Illusion und welch erhellende Definition, die Welch hier liefert.

Dieser Satz hat meine ganzes Strategieverständnis entscheidend geprägt.

Damit will ich diese Buchbesprechung beenden; zu diesem Buch könnte ich noch zehnmal mehr schreiben. es gehört zu jenen, die ich alle paar Jahre erneut lese – mit immer neuen Erkenntnissen, spiegele ich Welchs Thesen gegen meine nun auch schon etwa 20 Jahre umfassende Management- und Führungserfahrung.

Dieses Buch provoziert, regt mal zu begeistertem Zuspruch an und manchmal zu scharfer Missbilligung, aber niemals legt man es gelangweilt zur Seite  – was kann man mehr erwarten?

 

Fazit: 5 von 5 Sternen – natürlich!