23. Mai 2019 Buchbesprechungen, Management

Ralf´s Reader´s Corner: „Winning – die Antworten“ (2007) von Jack und Suzy Welch

„Winning- Die Antworten auf die 74 brisantesten Managementfragen“ ist längst nicht so bekannt wie das zugrundeliege Hauptwerk „Winning“, das hier schon besprochen wurde. Manche Kritik wurde an dieser Sequel geübt: Sie bringe nichts Neues, diene nur der besseren Abschöpfung der Nachfrage etc.

Das finde ich nicht. Es gibt sicherlich hier und da Redundanzen, aber auch viel Ergänzendes und Neues. Die Fragen sind gewohnt pointiert gestellt und die Antworten wie bei Welch üblich „Straight from the Gut“. Dieser direkte, herausfordernde Schreibstil setzt sich so wohltuend vom so oft gehörten und gelesenen dreimal weichgespültem Wohlfül-Sprech ab, dass schon dieses alleine das Lesen lohnt.

Aber auch die Inhalte, Welchs Antworten auf ihm und seiner Frau gestellte Fragen, bieten reichlich Stoff zum Nachdenken, zu Zustimmung und Ablehnung. Wie bei Welch üblich, lässt es einen nicht kalt.

Einige Frage-Antwort-Kombinationen, die mir besonders gut gefallen:

  1. „Warum Paris in Flammen stand“… (S. 30-35)
    …leitet brillante Überlegungen dazu ein, was Menschen an eine Zukunft glauben und was sie in Hoffnungslosigkeit abgleiten lässt und damit die Gesellschaft destabilisiert: „Menschen, die daran glauben, dass die Zukunft für sie einen Arbeitsplatz, egal wo, und finanzielle Sicherheit bringen wird, setzen selten Autos in Brand.“

    Etwas später: „Hoffnung kann ihren Ursprung in vielen Dingen haben – an vorderster Freiheit stehen dabei Freiheit und Würde. Aber Hoffnung stammt auch in weiten Teilen von einer sinnvollen Arbeit, bei der es Aufstiegsmöglichkeiten gibt.“

    Und geradezu prophetisch und als Warnung an die Staatsgläubigen: „Wenn jeder in einem Beruf ohne Zukunft arbeitet, wer soll dann noch übrig bleiben, um die Steuern zu zahlen, die notwendig sind, damit die Maschinerie am Laufen gehalten wird?“
  2. „Weltweit agieren, bevor es zu spät ist“ (S. 42-44)

    In diesem Kapitel 7 fordert Welch kategorisch die notwendigen Eigenschaften ein, um um gewinnen zu können, ja um überlebensfähig zu bleiben: „Informelle, aufrichtige Kommunikation ist ein absolutes Muss. Eine Geisteshaltung, bei der die Menschen ständig nach kontinuierlicher Verbesserung streben, beruflich und privat, ist unabdingbar.“

    Stillstand ist Rückschritt, kann man es auch nennen.
  3. „Zur Führungskraft geboren oder gemacht?“ (S. 51 – 53)

    Dieses, das 9. Kapitel, S. 51 bis 53, finde ich einfach nur genial, zitiere es nicht – lesen Sie es Wort für Wort durch und lassen es auf sich wirken. Die ganze, ewige, Diskussion darüber, was eine Führungskraft wirklich ausmacht und wieviele dieser Eigenschaften angeboren und wieviele erlernbar sind, wird hier auf wenigen Seiten auf den Punkt gebracht.

    Aber ein Statement als Teaser bringe ich dann doch:

    „Solange Sie ….eine [Führungskraft] sind …, ist es Ihr Job, die zu finden und zu formen, die in Ihre Fußstapfen treten können.“

    Diese Anforderung Welchs ist eine von denen, die mich am Stärksten geprägt haben, der ich mich verpflichtet fühle. Die Weitergabe des eigenen Wissens und der Erfahrung ist für mich die vornehmste Führungsaufgabe. Jede Führungskraft ist nicht mehr – aber aucht nicht weniger – als ein Treuhänder auf Zeit. Sie dient dem Unternehmen, bereitet es auf die Zukunft vor, und macht sich irgendwann entbehrlich.

    Sie zeigt auch, dass viele Vorurteile über diesen Mann genau das sind – Vorurteile. Er denkt sehr wohl in nachhaltigen Dimensionen und stellt an Führungskräfte hohe Anforderungen, gerade auch ethische.
  4. „Denken wie eine Führungspersönlichkeit“ (S. 54 – 56)
    „Bevor Sie Chef werden, misst sich Erfolg in erster Linie an der Weiterentwicklung Ihrer eigenen Person.“ (S.54)

    Und jetzt aufgepasst:

    „Sobald Sie der Chef geworden sind, misst sich der Erfolg daran, wie sich die anderen weiterentwickeln. Es geht darum, die Leute, die für Sie arbeiten, klüger, größer und wagemutiger zu machen.“

    Der sprachlich moderne Kommentar zu diesen Sätzen ist wohl…“BÄM!“

    Summary dazu:
    Es geht nicht mehr um mich als Führungskraft. Es geht darum, andere zu stärker, bis Sie mich überholen. Dann kann ich gesund und zufrieden in Rente gehen. Mission accomplished. Wissend, dass die im Eigenbild unentbehrlichen und unsterblichen Genies und Masters of the Universe von ihrem Narzissmus an jedem Tag ohne Macht und Mikro ein Stück mehr aufgefressen werden.
  5. „Nörglern die Stirn bieten“ (S. 86 – 87)

    „Sie leiten ein Unternehmen, nicht das Sozialamt oder eine psychologische Beratungsstelle.“

    Sätze dieser Art, aus dem Kontext gerissen, haben Welchs Beliebtheit hier und da sicher nicht gefördert. Aber Meister Yoda würde sagen: „Wahr sie sind.“

    Denn es gilt:

    „Ihre oberste Priorität ist der geschäftliche Erfolg, sodass Sie auch in Zukunft für Wachstum und Arbeitsplätze sorgen können.“

    Der indische Management-Denker Ram Charan nennt es so: „Management heißt stören.“

    Die Alternative ist es, Unternehmen zu verwalten, Wohltaten zu verteilen und die Illusion eines Lindgrenschen Taka-Tuka-Landes so lange aufrecht zu halten, bis die Fassade bricht und die Titanic die für ein Überlaufen der Schampus-Gläser erforderliche Schlagseite erreicht hat.

    Auch hier ist Welch auf den Punkt. Unangenehme Wahrheiten sind Wahrheiten. Angenehme Illusionen sind in Huxleys Sprache Soma.
  6. „Und der Verlierer ist…“ (s. 233-234)

    „In unseren Augen sind die größten Gewinner der Welt jene Leute, die auf die Frage „Lebe ich das Leben, das ich mir ausgesucht habe?“ mit „Ja!“ antworten.“

    Eine wunderschöne Aussage, die aufzeigt, dass Welch keineswegs nur in kurzfristigen monetären und machtgetriebenen Dimensionen denkt.
  7. „Was nennen Sie gewinnen?“

    „Aber das Herzstück beim Gewinnen ist doch, dass man etwas aus dem eigenen Leben macht.“

    Vorhang. Applaus.


    Fazit? 5 von 5 Sternen – was sonst?

    Just read it.