Geld und Geldtheorie – eine Sphinx !
Zeit meines bisherigen Lebens habe ich versucht, das Wesen des Geldes zu begreifen und das wird sich wohl auch im restlichen Teil meines Lebens (ich wollte ursprünglich schreiben: „in der zweiten Lebenshälfte“, aber dann unterstelle ich ein beachtenswertes Endalter von 98) nicht mehr ändern.
Was ist Geld? Was ist Zins? Braucht man beides? Oder braucht man nur Geld, aber keinen Zins? Welche Funktionen hat Geld? Warum zerbrechen Währungen? Ist eine Gold-Deckung gut? Warum nehmen wir nicht direkt Gold als Geld? Warum inflationiert und stirbt Papiergeld irgendwann immer?
…
Fragen, uralt und doch stets aktuell.
Dieses Thema „Mysterium Geld“ war eine der Ursachen für mich, Bankkaufmann zu werden. Und die Geldtheorie war zentraler Studieninhalt und dann auch Thema der Diplomarbeit und später der Dissertation.
Aber dennoch wurde ich ein Gefühl nie los: Je tiefer man einsteigt, desto höher auch phasenweise der Grad der Verwirrung – und auf einmal findet man sich bei den Grundfragen wieder…
Ja, so ist sie, meine geliebte Geldtheorie.
Ganz aktuell brachte mich ein Freund auf ein Thema aus der Geldtheorie, das einfach schien: er begeistert sich für Silvio Gesells Konzept des „Freigeldes“ (oft auch „Schwundgeld“ oder „Stemp Money“ genannt).
Nun war der erste Impuls, ihn damit einfach beiseite zu wischen, da Gesells Konzept weit weg vom wissenschaftlichen Mainstream ist.
Aber das heißt gerade in der Geldtheorie leider gar nichts, und vor allem ist es hier nie einfach.
Also googelte ich Gesell und landete auf einmal in einem der „Heiligen Bücher“ von uns Volkswirten: John Maynard Keynes “ General Theory […]“ ! Keynes widmet Gesells Konzept ein paar Seiten, schreibt aber wie üblich derart kompliziert und auf hohem Niveau, das mir der Kopf davon raucht. Ich sollte mir wohl doch eine gute deutsche Übersetzung holen.
Spannend ist, dass er Gesells Überlegungen zwar als mit einem wesentlichen Fehler behaftet sind, aber sie keineswegs in toto verwirft, bemerkenswert.
Und wenn Keynes etwas entsprechend würdigt, steht es mir kleinem Licht nicht zu, einen neugierigen nicht-Volkswirt abzubügeln.
Also lese ich jetzt Gesell im Original und dazu Keynes Bewertung.
Wenn ich danach nicht völlig verwirrt bin, antworte ich meinem Freund hoffentlich verständlich.
Zu diesem Thema „Mysterium Geld“ kommt also bald ein update – stay tuned!
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Kai Geisslreither
am 18. March 2018 um 11:07 Uhr
Ganz spannendes Thema! Gesell wurde lange als obskure Inseltheorie abgetan, oft nur beachtet von Idealisten, die Regiogeldsysteme implementiert haben.
Das Konzept von Schwundgeld ist aber gerade in Zeiten niedriger Zinsen hochinteressant. Ich habe leider nie Gesell und Keynes im Original gelesen und kenne mich mit dem Konzept auch allenfalls rudimentär aus. Ich bin daher sehr gespannt auf Ihre weiteren Ideen hierzu.
Das Thema ist für mich vor allem in folgendem Kontext brisant:
Erstens leben wir heute in einer „Multi-Geld-Welt“. Neben gedrucktem EZB-Geld gibt es in der Euro-Währung die verschiedensten elektronischen Geldsysteme (Konto, PayPal, ganz exotisch und vereinzelt auch PayDirect 😉 ) und daneben ganz neue Währungen wie Bitcoin & Co., die einen eigenen Geldraum begründen. Staatliches Geld ist also vielleicht in Zukunft gar nicht mehr zwingend notwendig (was nicht heißt, dass eine staatliche Geldpolitik unnötig wäre).
Zweitens fungiert Geld heute immer weniger als Zahlungs- und immer mehr als Wertaufbewahrungsmittel. Zentralbankbilanzen und Geldmengen wachsen kontinuierlich, obwohl wir immer seltener mit Bargeld zahlen. Der Grund: Es gibt eine zunehmende Vermögenskonzentration, bei der Vermögensbesitzer mangels rentabler Anlagemöglichkeiten verzweifelt Geld horten. Genau genommen wird dadurch unser Wirtschaftssystem ad absurdum geführt. Denn die Verlagerung von Vermögen in die Zukunft soll doch vor allem dadurch geschehen, dass Anleger in rentable Investitionen investieren und an der Rendite verdienen. Auch wenn es fast sozialistisch klingen mag: Ich halte es nicht für gerechtfertigt, dass der Staat eine kostenlose Vermögensaufbewahrung für Reiche anbietet. Irgendjemand muss die Kosten dafür tragen. Für die Banken ist das heute schon ein großes Problem. In Zeiten rückläufigen Potenzialwachstums in reichen Ländern und gleichzeitig wachsender Vermögen glaube ich, dass das Problem bestehen bleibt und eher noch zunimmt.
Wäre in dieser Gemengelage ein staatliches Schwundgeldsystem nicht ein idealer Weg, um einerseits den Menschen zwar wie gehabt ein vertrauenswürdiges Geld als Zahlungsmittel anzubieten, aber zeitgleich Anreize für Konsum und Investition zu erhöhen? Vermutlich kann man das nicht rein national/EU-weit betrachten. Auch fehlt mir die Kenntnis, wie man das technisch umsetzen könnte. Auf jeden Fall aber ein sehr interessantes Thema!
Dr. Ralf Kölbach
am 20. March 2018 um 07:47 Uhr
Vielen Dank für diesen tiefgehenden Kommentar! Aktuell lese ich mich in dieses Thema aus verschiedenen Richtungen (Gesell im Original, Keynes, Thomas Mayer …) ein. In ein paar Wochen kann ich mehr dazu sagen.
Renate Granitzer
am 14. February 2018 um 13:35 Uhr
… womit das Thema „Geldtheorie“ auch für einen Laien wie mich plötzlich lebendig und spannend geworden ist 🙂
Vielen Dank für diesen amüsanten und Orientierung-gebenden Einstieg in ein von mir bis jetzt eher gemiedenes Wissensgebiet. Aber wenn sogar Experten die Geldtheorie nicht vollkommen durchblicken können, will auch ich gerne die „Verstehenslücken“ aushalten und dennoch am Lesen dran bleiben.
Bin tatsächlich schon sehr gespannt auf das angekündigte Update, Herr Kölbach.
Dr. Ralf Kölbach
am 14. February 2018 um 20:05 Uhr
Mich freut es immer, wenn jemand anfängt, sich für VWL zu interessieren. Es ist m.E. die Ökonomie, die ewige Jagd nach knappen Gütern, die letztlich Individuen und Gesellschaften primär bewegt (mir ist bewusst, dass andere Professionen das anders sehen). Und um ökonomische Gesetzmäßigkeiten zu verstehen, wurde diese wundervolle Wissenschaft entwickelt. Als Experte in Geldtheorie kann ich mich leider nicht bezeichnen, da ich beruflich den Weg der Wissenschaft nach der Promotion nicht weiter beschritten habe. Aber ich tauche immer wieder mal ein in die VWL. Allerdings mit der Erkenntnis, dass der Meeresboden sich immer weiter entfernt, je tiefer ich tauche. Es gab mal einen genialen russischen Schachweltmeister, Alexander Alekhine. Von ihm hieß es: „Je komplexer die Position auf dem Schachbrett, um so tiefer seine Einsicht“. Die besten unserer Zunft können das auch. So finde ich z.B. die Bücher von Prof. Sinn unglaublich scharfsinnig; er bringt schwierigste Themen auf den Punkt. Aber ich arbeite an dem Update. Gesell zu lesen, ist jedochr nicht trivial. Das Buch ist da – aber in …alter Schrift, Süterlin oder so ähnlich heisst die wohl. Der Mensch braucht Aufgaben.