14. Januar 2018 Volkswirtschaftslehre

Globalisierung – Fluch oder Segen?

„Globalisierung“ ist ein zunehmend negativ belegtes Schlagwort geworden, mit dem Kritiker, keineswegs nur von den Rändern des politischen Spektrums, auf die Schattenseiten des weltweiten Freihandels hinweisen wollen. Sie sehen in freien Güter-, Kapital- und Arbeitsmärkten primär eine Bedrohung und mehr Nachteile als Vorteile für die jeweilige Gesellschaft.

Zunächst einmal ist der Begriff „Globalisierung“, so wie er, oft hochemotional, verwendet wird, ein irreführender und völlig unscharfer Begriff.

In einem Wörterbuch wird das Wort so definiert: „der Vorgang, dass vor allem wirtschaftliche Fragen nicht mehr nur innerhalb eines Landes relevant sind, sondern eine weltweite Ausdehnung bekommen.“

Hiermit kann man sich schon eher beschäftigen. Aber gleichzeitig ist der so oft geradezu wie ein Fluch durch die Luft geschleuderte Begriff gründlich entzaubert.

Aus Sicht des Volkswirtes geht es im Wesentlichen um nicht mehr und nicht weniger – als Freihandel zwischen den Nationen.

Wirtschaftliche Fragen sind schon lange nicht mehr nur innerhalb eines Landes relevant, sondern seit Urzeiten auch Thema des grenzüberschreitenden Güter- und Warenverkehrs. Der Umfang des Freihandels wiederum schwankte stets.

Aber eines galt immer: Wenn Nationen miteinander handeln, bekriegen sie sich nicht. Und wenn der Handel versiegte, waren die Kanonen nie weit weg.

Seit den 90er Jahren, nach dem Ende des Kalten Krieges, öffneten sich die Staaten zunehmend und eine neue Blütezeit des Freihandels begann. Was hat sie gebracht, wenn man sich dem Thema objektiv nähert?

Die Wahrheit ist, dass die Öffnung der Märkte das Ausmaß an Armut in der Welt ebenso massiv reduziert hat wie jenes des Analphetentums und des Hungers. In den noch armen, aber aufstrebenden Staaten sind hunderte Millionen Menschen schon in sich neu bildenden Mittelschichten angekommen und es werden immer mehr.

Derartige Wahrheiten machen aber nicht viele Schlagzeilen, leider.

Handel verhindert Krieg. Frieden gibt Stabilität. Stabilität lässt stabile Institutionen gedeihen. Stabile Institutionen und Rechtssysteme sind die Grundlage für Unternehmertum und damit des  Wohlstandes. Uralte Kausalketten, so alt wie die Menschheit.

David Ricardo analysierte die Vorteile des Freihandels am Beispiel zweier Länder (England und Portugal) schon Anfang des 19. Jahrhunderts. Sein Theorem der komparativen Kostenvorteile war bahnbrechend und eine Grundlage für die gesamte spätere sich stürmisch entwickelte Theorie des Außenhandels innerhalb der Volkswirtschaftslehre.

So weit, so gut.

Aber dennoch läuft erkennbar etwas schief – und zwar in den hochentwickelten Ländern: hier geht einerseits die Vermögens-Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander. Schlimmer noch und potenziell Sprengstoff für jede Gesellschaft: Fast unbegrenzten beruflichen Perspektiven für hochqualifizierte Wissensarbeiter stehen geringe Reallohnzuwächse und immer häufiger auch Zukunftsängste vieler Arbeiter und Angestellter gegenüber – obwohl es objektiv auch für sie fast Vollbeschäftigung gibt.

Hat die Volkswirtschaftslehre also etwas übersehen, bei Ricardo angefangen? Gibt es Denkfehler? Flieht die Berufsperspektive der Arbeiter ins Ausland?

Nun, in Ricardos Beispiel geht es um die Herstellung von Wein einerseits und die von Tuch andererseits. Beide Länder verfügen über Arbeiter, die sowohl das eine wie das andere leisten können.

Somit sind die Arbeitskräfte der Ricardo-Welt im Sinne ihrer „Skills“ mobil, haben die Qualifikation für das eine wie für das andere.

Aber das sieht in den modernen westlichen Staaten anders aus:  einfache Tätigkeiten, die in Drittländern ökonomischer bewältigt werden können,  sind weg und es kommen keine anderen einfachen Tätigkeiten zurück. Es geht nicht mehr um „Wein“ gegen „Tuch“. Das ist die eine Seite des Problemes: arbeiter, die nicht weiter gebildet werden, sind die Verlierer.

Aber noch viel stärker ist der Effekt, dass diese Tätigkeiten – statt in andere Länder verlagert zu werden – zunehmend komplett von Software und Maschinen übernommen werden.

Arbeitern und Angestellten in Tätigkeiten, die der Digitalisierung zum Opfer fallen werden, müssen also Perspektiven aufgezeigt werden. Der Weg ist wie immer Qualifikation über Bildung. Die Weiterentwicklung der KI schafft wunderbare Möglichkeiten, Menschen von schweren, eintönigen Arbeiten zu befreien und sie in neue Arbeitswelten zu entwickeln.

Somit ist das Problem nicht ein Denkfehler der Außenhandelstheorie, fußend bei Ricardo. Es ist vielmehr eine neue Stufe der wirtschaftlichen Entwicklung, die begonnen hat.

Und die riesige Chancen bietet. Menschen müssen nicht mehr ein Arbeitsleben lang eintönig und körperlich belastend arbeiten – Kollege Roboter wird es möglich machen.

Risiken? Natürlich. Chancen? Gewaltig!

Ricardo darf also sagen: „Don´t shoot me, I´m only the Piano Player.“