29. Oktober 2018 Buchbesprechungen

Ralf´s Reader´s Corner: „Freiheit für Manager – wie Kontrollwahn den Unternehmenserfolg verhindert“ (2018) von Dorothea Assig und Dorothee Echter

Als das Nachfolgebuch von „Ambition“ (hier im Blog besprochen: https://ralfkoelbach.de/blog/buchbesprechungen/ralfs-readers-corner-ambition-wie-grosse-karrieren-gelingen-von-dorothea-assig-und-dorothee-echter/ ) auf meinem Schreibtisch lag, war ich sehr gespannt: kann dieses Buch an das m.E. ganz hervorragende Werk aus dem Jahre 2012 anknüpfen?

Mein allererster Eindruck war nicht so gut, da ich grundsätzlich keine scheinbar reißerischen Buchtitel mag und dieser neue hier sich diesbezüglich doch deutlich vom sachlicheren des Vorgängers entfernt. Muss das sein? Wahrscheinlich schon, denn letztlich sollen Bücher verkauft werden und die Aufmerksamkeitsspanne potenzieller Käufer mag kurz sein und deshalb wird versucht, sich schon mit dem Titel abzuheben.

Assig und Echter sind hier auch in guter Gesellschaft, denn die Buchtitel im Sachbuch-Segment scheinen generell zunehmend hitziger werden. Ohne große Worte geht wohl kaum noch etwas.

So dachte ich am Anfang. Nun ja.

Danach startete ich ins Buch und las die ersten 90 Seiten, eher überfliegend. Das riss mich nicht vom Hocker und ich sah keine Tiefe im und entwickelte kein Gefühl für das Buch.

Nach einer mehrwöchigen Pause startete ich erneut, vor wenigen Tagen. Dieses Mal voll konzentriert und fokussiert. Im festen Glauben, dass diese Autorinnen kein unbrauchbares Buch schreiben und einfach so auf den Markt werfen. Und in der gebotenen Langsamkeit. In diesem zweiten Anlauf suchte und fand ich Gold. Dinge, die mich weiterbringen und sicher auch für viele andere hilfreich sind.

Beim tieferen Lesen begriff ich erstmals, das dass Buch sehr wohl eine klare Linie und ein sich von vorne bis hinten durchziehendes Motiv hat: „Ambition Management“ = Management auf der Grundlage von Ambition, Ambition als einzige nachhaltig sinnvolle Basis eines zeitgemäßen Managements.

Die persönliche Ambition, im Vorgängerwerk umfangreich definiert und durchdekliniert, ist laut den Autorinnen von Top-Führungskräften im Unternehmen a) aktiv zu leben und b) ebenso aktiv zu kommunizieren. Daraus resultiere unternehmensweit die Erkenntnis, dass es in diesem Unternehmen möglich ist, die individuelle Ambition zu leben. Dies wiederum erzeuge die Stimmung, die zu Erfolgen führe.

Das ist ein bemerkenswertes Postulat, zeichnet es doch einen dritten Weg auf neben den bekannten Positionen a) man kann Menschen aktiv motivieren ( = direkte Ansprache, direkte incentives etc. = extrinsische Motivation) und b) man kann Menschen überhaupt nicht motivieren, sondern nur demotivieren.

Die Autorinnen vertreten vielmehr die These, dass man durch das Vorleben der eigenen Ambition de facto passiv motiviert, indem andere dieses genau beobachten und dadurch Mut fassen , auch ihre persönliche Ambition nicht nur zu zu lassen, sondern sie auch heraus zu lassen.

Damit, so Assig und Echter, wird auch das ganze Kaleidoskop klassischer Führungsintrumente entbehrlich, ja hinderlich, ist es doch schwächenfokussiert und hindert damit die Menschen daran, ihre Stärken, ihre individuelle Größe zu entfalten.

Zugegeben, mit dem Wort „Größe“ und dem Appell, die eigene Größe zu entfalten und darüber zu reden, tat ich mich beim ersten Lesen sehr schwer.

Wie passt das dazu, dass im Vorgängerbuch mit absoluter Berechtigung ein so starker Fokus auf die Kontrolle des eigenen Egos gelegt wird?

Auch hier hilft tieferes Lesen und Reflektieren: den Autorinnen geht es nicht um eine aus einem explodierten Ego entstandene Schein-Größe, die exklusiv ist und sich über andere erhebt. Eine Schein-Größe, die nimmt und sich immer weiter aufbläht.

Vielmehr geht es um eine letztlich bescheidene Vorstellung eigener Größe: „Jetzt, genauso wie ich bin, in dieser Situation, in dieser Position bin ich vollkommen richtig. Hier ist mein größter Wirkungsgrad. Ich kann die Welt um mich heraum verbessern.“ (S. 48)

Nicht mehr, nicht weniger. Diese Definition ist etwas völlig Anderes als das alles verschlingende schwarze Loch narzisstischer Größenfantasien, bei denen es um allumfassende Selbstüberhöhung geht.

Insbesondere geht es um eine aus echter Ambition geborene und klar begrenzte Vorstellung eigener Größe.

Diese, von den Autorinnen als „wahre Größe“ benannte Größe ist auch nicht exklusiv, sondern inklusiv – sie ermöglicht es, anderen Orientierung zu geben – statt sie zu kontrollieren und zu beherrschen.  Mit dem klaren Hinweis versehen: „Größe ist Geben, nicht Haben-Wollen.“

Die Transformation dieses für mich zunächst befremdlichen Wortes „Größe“ in eine Version, die auf echter Ambition und gegenseitiger Augenhöhe  fußt, war eines der Kernelemente für ein tieferes Verständnis der Grundidee des Buches.

Mich erinnert die Gegenüberstellung der beiden so antagonistischen Größenbegriffe an Erich Fromm und seine Darstellung der Gegenspieler „Haben“ vs. „Sein“.

Spätestens ab diesem Punkt wurde ich zum Fan des Buches und saugte seine Kernpunkte geradezu auf. Bemerkenswert und zum Nachdenken anregend ist z.B. auch die kritische Sicht auf Leadership-Systeme: die Autorinnen sehen sie kritisch, da kollektivistisch orientiert, während  Ambition Management auf der Individualität, der Einzigartigkeit persönlicher Ambitionen beruht, die es aus Sicht von Assig/Echter zu hegen und pflegen gilt.

Man kann Ambition Management somit als ein stärkenbasiertes und auf das Individuum ausgerichtetes Management System betrachten.

Und mit dieser Erkenntnis erschloss sich mir auch erstmals der Buchtitel und seitdem finde ich ihn gar nicht mehr so reißerisch: „Freiheit für Manager“ – Freiheit, die eigene Ambition zu zeigen, zu leben und andere damit dazu zu inspirieren, ihre eigene Ambition zu entfalten.

Eine klare Botschaft!

Assig/Echter sind fest davon überzeugt, dass die gelebte individuelle Ambition eben nicht zufällig mit guten ökonomischen Ergebnissen korreliert, sondern sie vielmehr kausal generiert.

Diese Botschaft, diese tiefe innere Überzeugung zieht sich durch das gesamte Buch als roter Faden, der dazu führt, hat man ihn einmal erfasst, dass das Werk sich leicht und flüssig liest und ein Rädchen ins andere passt.

Und so wurde auch dieses Buch von Frau Assig und Frau Echter ein für mich sehr gewinnbringendes.

 

Fazit: 4/5 Sternen.

Klare Kaufempfehlung – aber bitte a) vorher „Ambition“ lesen, um die Zusammenhänge besser zu verstehen und  b) Zeit lassen beim Lesen. Das Buch verlangt ein  intensiveres „sich aneignen“ als der Vorgänger. Deshalb „nur“ vier statt fünf Sterne.