11. März 2019 "Die geistige Machete", Buchbesprechungen, Management

Ralf´s Reader´s Corner: „Gefährliche Management-Wörter“ (2. Aufl., 2017, Kindle-Ausgabe) von Prof. Dr. Fredmund Malik

Fredmund Malik ist einer der profiliertesten Management-Vordenker. Man muss nicht allen seiner Thesen zustimmen, manche seiner Positionen wurden im Zeitablauf etwas dogmatisch und starr. Aber zweifelsohne ist er einer der ganz großen Köpfe und vieleseiner Schriften sind extrem lehr- und hilfreich.

Sein Standardwerk „Führen, leisten, leben“ (hier von mir besprochen: https://ralfkoelbach.de/blog/buchbesprechungen/ralfs-readers-corner-fuehren-leisten-leben-wirksames-management-fuer-eine-neue-zeit-von-fredmund-malik/ ) ist für mich unverändert DAS Buch zum Management und seine MoM („Malik on Management“) – Letter aus den 90ern sind geradezu Wegweiser durch den Dschungel des Lebens; nicht nur des Berufslebens.

Eines seiner zentralen Anliegen war und ist Präzision: Präzision im Denken – und damit auch in der Sprache. Management Buzzwords scheint er geradezu zu hassen. Die Erstauflage seines Buches aus dem Jahre 2007 habe ich mit Genuss verschlungen – und manchmal blieben mir die von Malik gründlich entmystifizierten Buzzwords im Halse stecken. Großes Kino, zum Nachdenken anregend.

Da ich zuletzt viel rund um das Thema „Leadership“ las und lese, stieß und stoße ich zwangsläufig auch auf kritische Sichtweisen zu diesem Thema. Eine Facette ist diejenige, die Leadership für grundsätzlich „gut“ befindet, es für vom „Management“ klar abgrenzbar hält und sich mit den Gefahren seiner dunklen Seite befasst. Hierzu zählt insbesondere Prof. Furtner mit seinem hier besprochenen Buch au sseiner Tetralogie rund um Leadership: https://ralfkoelbach.de/blog/buchbesprechungen/ralfs-readers-corner-dark-leadership-narzisstische-machiavellistische-und-psychopathische-fuehrung-2017-von-prof-dr-marco-furtner/

Maliks Kritik kommt jedoch von einer völlig anderen Seite: Für ihn ist die Grundbeziehung zwischen „Leadership“ und „Management“ völlig anders, nämlich keine sich ausschließende, sondern vielmehr eine symbiotische: „Um Leadership wirksam zu machen, ist effektives Management nötig.“ (Kindle-Ausgabe, Pos. 351).

Aus Maliks Sicht gilt für Leader: „Oft sind sie selbst gute Manager“. Während „Führung“ häufig in „Leadership“ und „Management“ unterteilt wird, sieht Malik das anders: Für ihn sind „Management“ und „Führung“ Synonyme und „Leadership“ ist für ihn quasi das Sahnehäubchen on top – Leadership ist „Etwas, das selbst noch über das beste Management hinausgeht.“ Damit gilt aber nach Malik auch: „Umgekehrt wird aber ohne professionelles Management Leadership nicht wirksam werden.“

Somit ist nach Malik Leadership die Königsklasse, die immer auf hervorragendes Management aufsetzt: Nicht jeder Top-Manager ist ein Leader, aber jeder Leader ist auch ein Top-Manager.

Diese Sichtweise, die Malik minutiös ableitet, führt also zu einem völlig anderen Begriff des „Leaderships“ als die häufig anzutreffende Sichtweise, derzufolge „Management“ und „Leadership“ Antagonisten sind, die nicht aufeinander aufbauen.

Schwere Kost.

Aber es ist bewundernswert, wie Malik versucht, seinen Beitrag hin zu einer gewissenhaften Fachsprache zu leisten und Klarheit zu schaffen. Aber ist das leistbar? Ist „Management“ wirklich eine eigenständige Wissenschaft, wofür Malik so sehr kämpft?

Da bin ich skeptisch. Mir erscheint es eher als eine Kunde – als ein Sammelsurium von Erfahrungen, klugen Gedanken und tausend Anleihen in der BWL, VWL und auch Psychologie.

Zurück zu diesem wirklich spannenden Buch! Ein anderer Begriff, den Malik seziert, ist „Charisma“. Während Charisma für die Protagonisten der transformationalen Führung grundsätzlich „gut“ und fundamental ist, streitet Malik seine Bedeutung für gute Führung rundweg ab: „Echte Führer, die größte und schwierigste Aufagben erfolgreich lösen, stützen sich dabei nicht auf Charisma.“ (Kindle-Ausgabe, Pos.341).

Wer hat nun Recht? Nun, empirische Evidenz dazu zu liefern, dürfte, diese Prognose wage ich, sehr anspruchsvoll sein: was ist denn „Charisma“ wirklich und was sind „Echte Führer“?

Hier stößt Maliks Versuch, mit der geistigen Machete Licht ins Dunkel zu bringen, auf das dichte Gestrüpp der in sich nun einmal unscharfen Begriffe. Da lobe ich mir meine geliebten Makromodelle a la IS/LM  aus der VWL. Mathematische VWL mag umstritten und die Mainstream-Modelle mögen in ihrer Aussagekraft limitiert sein – aber im Vergleich zur Diskussion um Begriffe aus der Management-Lehre fühlen sie sich wie Physik an. Gut, zugegeben bin ich hier nicht unparteiisch und liebe Mathematik und VWL.

Zurück zu Maliks Buch: Sein Kampf um die „richtige“ Verwendung der Management-Fachsprache ist bewunderswert, auch wenn er sich teilweise wie ein Ritt mit eingelegter Lanze gegen die Windmühlen anfühlt. man kann beim Lesen förmlich spüren, wie sehr Malik unter den seiner Meinung nach unpräzisen und falsch verwendeten Buzzwords geradezu leidet.

Er ist ein Suchender nach Wahrheit, ein echter Wissenschaftler.

Und das macht dieses Buch zu anspruchsvoller, aber sehr wertvoller Kost. Das ist kein fast food – das ist ein Menü mit vielen Gängen. Nicht alle sind gut verdaulich, einige schmecken nicht. Aber nachdem man dieses Buch gelesen hat, stellt sich ein positives Sättigungsgefühl ein, davon kann man zehren.

Kann man mehr von einem guten Fachbuch verlangen?

Fazit: 5 von 5 Sternen – natürlich!